Sie Sennerei Nufenen ist eine echte «Bionier» – mit der Fokussierung auf Bioverarbeitung bereits Anfang der 1990er – was waren die Gründe?
Coop hat ebenfalls 1992 ihre Naturaplan-Linie aufgegleist und 1993 offiziell lanciert und damit einen Absatzkanal für Bio-Knospe-Produkte eröffnet. Die Sennerei Nufenen hat die Möglichkeit gesehen, ihre gesamte Produktion, zusammen mit allen Milchproduzenten, auf Bio-Knospe-Standard umzustellen. Bei vielen Milchproduzenten und auch beim Verarbeitungsbetrieb der Sennerei Nufenen war bereits zu diesem Zeitpunkt eine grosse Sympathie zum Biolandbau vorhanden.
Gleichzeitig mussten die Landwirtschafts-Partner für die Bio-Umstellung motiviert werden – wie gelang dies?
Die landwirtschaftliche Betriebsberatung hatte zu dieser Zeit in der Person von Paul Urech einen sehr engagierten Berater für den Biolandbau. Paul Urech hat zusammen mit den damaligen Verantwortlichen mehrere Informations- und Weiterbildungs-Veranstaltungen durchgeführt – und damit alle Landwirte für eine Umstellung auf die biologische Produktion motiviert.
Trägerschaft für der Käserei ist bis heute die Genossenschaftsstruktur – welche Rolle spielte dies für die Bio-Ausrichtung?
Ich glaube nicht, dass die Genossenschaftsstruktur direkt einen Einfluss auf die Bio-Ausrichtung hat. Sie ist lediglich eine rechtliche Ausgestaltung der Firmenstruktur. Mit dem genossenschaftlichen Ziel, dass alle, ob gross oder klein, gleichermassen eingebunden sind und damit gemeinsam eine möglichst gute wirtschaftliche Situation für alle Beteiligten erreicht werden kann. In der Vergangenheit wurden bei grösseren Investitionen regelmässig grosse Eigenleistungen bei den Bauarbeiten durch die Genossenschaftsmitglieder ausgeführt.
2003 haben wir die ganzen Produktionsanlagen erneuert. Vor dieser grossen Investition haben wir uns entschieden, die ehemaligen Sennereigenossenschaften Nufenen und Hinterrhein zu fusionieren. Früher kaufte die Genossenschaft Nufenen der Genossenschaft Hinterrhein die Milch ab.
Bitte geben Sie uns eine Übersicht zu Ihrer Sortiments- und Vermarktungsstrategie ...
Die heutige Sennerei Nufenen beziehungsweise bereits ihre Vorläuferorganisationen haben sich spezialisiert auf die Herstellung eines lange gereiften Halbhartkäses, hergestellt ausschliesslich aus thermisierter Bio-Bergmilch aus der Region. Und seit jeher mit Milch aus silagefreier Fütterung. Dieser Herstellungsprozess hat in Nufenen sehr lange Tradition. Die Sennerei geht bis auf das Jahr 1846 zurück.
In den 1960er Jahren wurde in Nufenen der erste Bündner Bergkäse entwickelt. Das Hauptprodukt ist ein unter dem Namen «Viamala» vermarkteter neun bis zwölf Monate gereifter Bio Bergkäse. Weiter wird auch Bündner Bergkäse, Nufener Rahm- sowie Nufener Kräuterkäse in verschiedenen Reifegraden hergestellt. Für die lokale Vermarktung werden auch Nufener Mutschli, Joghurt und Butter produziert.
Unsere Kompetenz sehen wir klar in der Herstellung von lange gereiften Bergkäsen. Für deren Herstellung es eine einwandfreie Milchqualität mit direktem Bezug zu den Milchlieferanten und einer langen Erfahrung in der Herstellung bedarf. Die Vermarktung erfolgt hauptsächlich in entsprechenden Handelskanälen für Bioprodukte und mit der entsprechenden Gewichtung der Herkunft und Produktqualität.
Mit Bio verbinden viele auch Best Practice bezüglich Nachhaltigkeit – was heisst dies für Sie in der Praxis?
Sehr vieles wird ja bereits über die Biorichtlinien erfüllt. In der Landwirtschaft wie auch in der Sennerei. Die Sennerei Nufenen hat sich aber insbesondere auch im Bereich des Energieverbrauchs ehrgeizige Ziele gesetzt, um von fossilen Energieträgern wegzukommen. Seit einem Jahr wird die gesamte Wärmeenergie von einem kleinen Fernwärmeverbund bezogen, der ausschliesslich mit einheimischen Holz-Hackschnitzeln betrieben wird. Zurzeit wird eine Anlage zur Molkeaufkonzentration installiert, um die Molketransporte auf der Strasse um ²⁄₃ zu reduzieren. Damit verbunden ist eine Installation zur energetischen Nutzung der Wärme des Abwassers aus dem Prozess der Molkeaufkonzentration. In Evaluation ist die Anschaffung eines elektrisch betriebenen Milchsammelfahrzeuges, da unsere Streckencharakteristik eine gute Nutzung von Rekuperationsenergie erlauben würde.
Zeitweise spielte der Export in den EU-Raum, namentlich nach Deutschland, eine wichtige Rolle – welche Perspektiven zeigen sich hier trotz ungünstigen Währungskurses?
Für uns ist der Export bis heute mit rund 50 Prozent des Umsatzes sehr wichtig. Insbesondere mit dem starken Franken und mit der schwindenden Kaufkraft infolge Inflation im EU-Raum waren die Herausforderungen in den letzten Jahren gross.
Mit zusätzlichen Anstrengungen konnten wir erreichen, dass der Exportanteil in den letzten zwei Jahren nur geringfügig zurückgegangen ist. Zumindest für unser Nischensegment sehen wir nach wie vor Perspektiven im Exportmarkt und glauben, dass die Talsohle erreicht bzw. bereits durchschritten ist.
Seit den Anfangszeiten hat sich Ihr Unternehmen auch bezüglich Technologie und Infrastruktur entwickelt – welche Meilensteine waren die wichtigsten?
2003 konnte eine moderne Produktionsanlage mit speicherprogrammierbarer Steuerung (SPS) in Betrieb genommen werden. 2010 erfolgte der Ausbau des Käsereifelagers auf 80 Tonnen, was rund 16 000 Käselaiben entspricht, und die Ausrüstung mit einem Käsepflegeroboter. Da für diese Investition keine Beiträge der öffentlichen Hand gesprochen wurden, konnte dieses Vorhaben nur mit extrem grosser Eigenleistung aller Genossenschaftsmitglieder umgesetzt werden. Heute findet eine weitere Ausbauetappe statt. Vor vier Monaten konnte ein weiteres Käsereifelager mit 8000 Laiben und vor drei Wochen ein zweiter Käsepflegeroboter der Firma Leu, Uetendorf, in Betrieb genommen werden. Der Abschluss der jetzigen Investitionsetappe erfolgt mit der Inbetriebnahme der Molkeaufkonzentrations-Anlage und der Errichtung neuer Garderoben und Hygieneräume.
Welche aktuellen Entwicklungs- und Zukunftsprojekte (Sortiment und Technologie) stehen derzeit an – oder mittelfristig?
Mit der erfolgten Investitionsetappe ist der Betrieb wohl für die kommenden zehn Jahre bestens gerüstet. Kurz- und mittelfristig werden wir uns auf die Bearbeitung unserer bestehenden Nischenmärkte konzentrieren und entsprechend unser nicht allzu breites Sortiment vermarkten. Diese Sortimentsgestaltung erlaubt uns eine verhältnismässig schlanke und effiziente Betriebsführung.
Ein Blick auf die Milchwirtschafts-Branche allgemein – welche Herausforderungen stehen aus Ihrer Sicht im Vordergrund?
Namentlich im Berggebiet ist oftmals eine konkurrenzfähige Verarbeitungsinfrastruktur und entsprechende Betriebsauslastung schwer zu erreichen. Der Markt verlangt aber mehr denn je, dass konkurrenzfähig produziert wird.
Da für unsere Milchwirtschaft auf 1600 Metern über Meer ein Mithalten im Wettbewerb um grosse Mengen und günstige Preise aussichtslos ist, ist eine Fokussierung auf möglichst effiziente, schlanke und vor allem gut ausgelastete Produktionsstrukturen zu setzen. Mit entsprechender Bearbeitung der Nischenmärkte durch Ausspielen der Einzigartigkeiten wie Herkunft, ökologischen Qualität im Gesamtkontext und natürlich Produktecharakteristik und -qualität.
Stichwort Fachkräfte – wie sieht die Situation für Sie aus, auch mit Blick auf die lokale Wirtschaft?
Wir haben natürlich auch schon sehr schwierige Situationen in Bezug auf das Finden von Fachkräften erlebt. Momentan sind wir aber sehr gut aufgestellt. Und zuversichtlich stimmt, dass einige junge Leute aus der Region die Ausbildung zum Milchtechnologen oder zur -technologin gemacht haben. Auch freut es mich, zu sehen, wie und mit welchem Berufsstolz diese Leute ihre Arbeit machen. Den Ausbildungsbetrieben ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle!
Und auch in der Landwirtschaft sieht es sehr positiv aus mit dem Nachwuchs an gut ausgebildeten jungen Leuten.
Vielen Dank für den guten Austausch!