Bei der Frage nach den Lebensmittelverpackungen der Zukunft stehen nach wie vor Nachhaltigkeit und regulatorische Anforderungen im Zentrum. Beide Themen dominierten wie in den Vorjahren die vierte SVI-Jahrestagung, vom 27. April 2022 in Zürich. Rund 80 Teilnehmende informierten sich im Rahmen der Jahrestagung über die Auswirkungen der «nachhaltigen» Verpackung auf die Europäische Union und die Schweiz. Im zweiten Teil der Tagung wurde das Potenzial der Verpackung als Marketinginstrument der Zukunft beleuchtet.
EU-Regelwerk und Schweizer Umsetzung
Die gesamte Branche arbeitet ständig an der Zukunft der Verpackung. In allen Segmenten werden die Lösungen ständig optimiert. Dabei bleibt die Einhaltung der Rechtsvorschriften ein Rahmen, der seitens der EU und der Schweiz immer enger wird. Gerade in der letzten Zeit wurden in der Schweiz mit der Annahme der Motion Dobler die regulatorischen Anforderungen für das Ziel einer möglichst vollständigenKreislaufwirtschaft signifikant weiterentwickelt. Was auf Ebene der EU derzeit geschieht und wohin die Reise der EU gehen soll, stellte Hazel O’Keeffe von Partner Keller and Heckman LLP in einer Live-Zuschaltung aus Brüssel vor.
Dabei ging sie insbesondere auf die neu eingeführten Kunststoffsteuern in Italien, Spanien und Grossbritannien ein. Ihr Fazit lautete, dass trotz aller Aktivitäten die vollständige Umsetzung der Sustainable- Packaging-Richtlinie der EU viel Zeit beanspruchen wird. Die Entwicklung neuer Recyclingprozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette wird ein langwieriger Prozess werden. Und schliesslich muss die Implementierung dieser neuen Prozesse noch validiert und autorisiert werden.
Für die Schweiz wird es wichtig sein, über die fortschreitenden Entwicklungen in Brüssel auf dem Laufenden zu bleiben. Rund anderthalb Jahre nach dem Inkrafttreten der EU-Verordnung Nr. 1245/2020 zu den Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff gibt es bereits einige Erfolgsmeldungen aus der Schweizer Verpackungsbranche. Fünf Unternehmen berichteten an der Tagung, wie die Kunststoffverordnung das Unternehmen verändert hat, welche Chancen und Herausforderungen entstanden sind und welche Rolle Nachhaltigkeit für ihr Unternehmen spielt. Charlotta Jung, Managerin Regulatory Affairs bei der Wipf AG, erläuterte, wie man bei Wipf das Design von flexiblen Verpackungen den aktuellen regulatorischen Guidelines anpasst, welche Materialien und Materialkombi- Verpackungen müssen nachhaltiger werden und emotional bleiben nationen zum Einsatz kommen, um die Recyclingfähigkeit von Folien und flexibler Verbunde zu gewährleisten.
Closing the loop
Wie das «Closing the loop» möglich wird, legte Patrick Semadeni, CEO der Semadeni Plastics Group, dar. Insgesamt gebe es beim Aufbau eines Kreislaufs für Kunststoffe aller Anwendungen noch viel Arbeit und Luft nach oben, erklärte Semadeni. So kann der Anteil von kreislauffähigen Kunststoffprodukten mit den aktuellen Massnahmen gemäss einer Studie von SistemIQ von aktuell 14 auf 30 Prozent im Jahr 2030 gesteigert werden. Bis im Jahr 2050 könnten kreislauffähige Kunststoffprodukte mit zusätzlichen Massnahmen sogar mit einem Anteil von 78 Prozent zu Buche schlagen und bei Kunststoffverpackungen eine Zirkularität bis 91 Prozent erreicht werden. Wie gelingt nun die Reduktion und was ist erreichbar? Lösungen wären leichtere Flaschen und grössere Volumina je Flasche. Bei Konsumgüterverpackungen könnten verstärkt Post-Consumer- Kunststoffe und Mehrwegbehälter eingesetzt werden. Semadeni berichtete von einigen erfolgreichen Pilotprojekten im Kunststoffrecycling und wie wichtig die Unterstützung der Kreislaufwirtschaft durch den Pakt «Kreisläufe für Kunststoffverpackungen und Getränkekartons schliessen» (Motion Dobler) ist.
Glas ist eine gesunde Verpackung auf dem Weg zur CO2-Neutralität, sagte Christoph Burgermeister von der Vetropack AG. Die europäische Glasindustrie hat in den letzten 25 Jahren ihre CO2-Emmissionen um 75 Prozent reduziert und Vetropack will für die eigenen Standorte bis 2030 weitere 30 Prozent reduzieren. Doch für die Alternative elektrische Energie oder Wasserstoff zur Wärmeerzeugung für die Glasschmelzwannen und die Produktionslinien fehlt die Infrastruktur.
Strom könnte derzeit in der benötigten Menge nicht zu den Glasfabriken geliefert werden und auch eine Wasserstoff- Wärmeerzeugung ist derzeit nicht umsetzbar. Aktuell konzentriert man sich daher auf eine Steigerung der Recyclingquote und auf die Verbesserung der Farbsortierung der Glasscherben aus der Sammlung.
Vielfältige Wege zur Nachhaltigkeit
Dass die aseptische Kartonverpackung von Natur aus nachhaltig ist, ändert für Holger Schmidt von der SIG International Services GmbH nichts daran, dass es auch bei diesem Packmittel noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Dazu zählt die Beschaffung nachhaltiger Rohstoffe, die Weiterentwicklung von Barriereschichten ohne Aluminium und der Einsatz papierbasierter Trinkhalme. Aktuell werden – gemäss einer EU-Anforderung – die sogenannten «tethered caps» eingeführt, Verschlusskappen, die nach dem Öffnen am Verschluss und damit an der Packung verbleiben, sodass kein Plastikmüll in die Umwelt gelangt und die Entsorgung und das Recycling zusammen mit dem Rest der Packung gewährleistet ist. Wie die Glasindustrie, arbeitet auch die Getränkekartonverpackung an einer Erhöhung der Recyclingquote.
Nestlés Strategie für eine abfallfreie Zukunft stellte Susanne Sinclair, Sustainability Project Manager bei Nestlé Schweiz, vor. Nestlé verfolgt das Ziel, dass alle Verpackungen bis 2025 recycelbar oder wiederverwendbar sein sollen. Dazu setzt Nestlé auf eine eigene Fünf- Säulen-Strategie für Verpackungsnachhaltigkeit mit der langfristigen Vision, dass keine Verpackungen auf der Mülldeponie oder im Abfall landen. Nestlé will weniger Verpackung durch die Reduktion von Verpackungsmaterial aus Kunststoff im Allgemeinen und aus Neumaterial im Besonderen sowie eine Skalierung von wiederverwendbaren und nachfüllbaren Systemen, um den Bedarf an Einwegverpackungen zu eliminieren.
Zudem will das Unternehmen Verpackungen verbessern und leistet dazu Pionierarbeit mit alternativen Verpackungsmaterialien zur Erleichterung des Recyclings. Darüber hinaus fördert Nestlé eine Infrastruktur, die zur Gestaltung einer abfallfreien Zukunft beiträgt und das Unternehmen setzt sich für ein öffentliches Überdenken von Verhaltensweisen ein: Mitarbeitende, Handelspartner und Konsumenten sollen Umdenken lernen.
Weitere Informationen unter www.svi-verpackung.ch.