Lebensmittel-Industrie: Die Nutriswiss AG und die Grüninger AG arbeiten eng zusammen. Was wird wo produziert?
Michel Burla: Nutriswiss und Grüninger sind beide Tochterunternehmen der Centravo Holding und Teil des Geschäftsbereiches Öle und Fette.
Dennoch unterscheiden sich die Schwerpunkte grundlegend: Nutriswiss raffiniert und modifiziert am Standort Lyss im Kanton Bern hochwertige Speiseöle- und -fette und stellt massgeschneiderte Blends her. Unter den verschiedenen Rohstoffen, die wir verarbeiten, sind neben heimischem Raps- und Sonnenblumenöl auch Spezialitäten wie Fisch- und Algenöl. Da sie als Omega-3-Quelle zum Beispiel in Babynahrung eingesetzt werden, gelten hier besondere Anforderungen an Reinheit und Sensorik.
Grüninger in Mitlödi im Kanton Glarus ist der Schweizer Marktführer im Segment Handwerks- und Industriemargarinen. Beide Unternehmen arbeiten eng zusammen: Fast alle Rohstoffe, die Grüninger verarbeitet, werden von der Nutriswiss beschafft und aufbereitet.
Welche Bedeutung nehmen Swissness und der Verarbeitungsstandort Schweiz ein – auch mit Blick in die Zukunft?
Schweizer Produkte sind weltweit wegen ihrer hohen Qualität gefragt, die auch die Schweizer selbst wertschätzen. Und natürlich messen wir uns ebenfalls an den höchsten Standards, gerade was die Reinheit der Öle betrifft. Mit Blick auf die Zukunft sind wir uns der Verantwortung bewusst, die uns als Akteur in der Lebensmittelindustrie zukommt. Wir wollen gewissenhaft mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen umgehen und unterstützen deshalb zum Beispiel Forschungsprojekte, die den Pestizideinsatz beim Rapsanbau verringern. Nachhaltigkeit ist tief in der DNA der noch eher bäuerlich geprägten Schweizer Gesellschaft verankert und auch Teil unserer Philosophie. Wir sind traditionsbewusst, befassen uns aber auch mit Trends wie der Produktion von optimierten «Next generation oils», Palmölersatz oder veganen Mischungen.
Nutriswiss ist in erster Linie als Zulieferbetrieb für die Verarbeitungs- und Gastronomiebranche bekannt. Welche Bedeutung hat der Detailhandel?
Der Fokus liegt auf der Industrie, wo wir auch zunehmend Kunden aus dem Ausland akquirieren konnten. Dennoch war es schon immer Teil unseres Markenkerns, für den heimischen Markt gute Produkte bereitzustellen. Durch die Corona-Pandemie hat die Bedeutung des Detailhandels für uns enorm zugenommen, weil Restaurants und Hotels eine Zeit lang geschlossen waren. Hier tut sich einiges: Früher als Dickmacher verteufelt, ist jetzt vielen bewusst, dass Fette und Öle Teil einer ausgewogenen Ernährung sind. Unsere Produktpalette «Belfina» bietet verschiedene Lösungen zum Braten, Kochen, Dünsten, Frittieren und Backen zu Hause und besteht aus hochwertigen Rohstoffen. Alles aus dieser Reihe ist «Swiss Made» und enthält kein Palmöl.
Mindestens seit den 90er-Jahren haben Palm- und teilweise auch Kokosfett/Öl eine zentrale Bedeutung als Rohstoffe für die Industrie – woran liegt dies?
Palm- und Kokosfett haben sehr gute technologische Eigenschaften, denn sie sind temperatur- und prozessstabil. Ausserdem sind diese Öle ganzjährig und in grossen Mengen verfügbar und kosteneffizient. In den 90er-Jahren gab es noch viele Produkte auf dem Markt, die teilgehärtete Fette enthielten. Auch schädliche Transfette waren ein Problem – als Ersatz bot sich Palmöl an.
Mittlerweile haben wir durch neue Technologie und verbesserte Verfahren mehr Möglichkeiten, beispielsweise für Rapsöl mit einer beinahe idealen Fettsäureverteilung. Heute lässt es sich teilweise oder komplett durchhärten und bietet dann die für die Weiterverarbeitung gefragten Eigenschaften.
Die international etablierten Nachhaltigkeitsstandards für diese Rohstoffe stehen unter Kritik – wie stehen Sie zu den Zertifizierungen?
Uns ist es enorm wichtig, dass wir unsere Rohstoffe nachvollziehbar und nachhaltig beziehen und unsere Lieferkette transparent ist. Deshalb sind wir schon seit 2003 Mitglied bei RSPO, unsere Lieferketten sind über die Modelle «Identity Preserved» und«Segregated» zertifiziert. Zusätzlich engagieren wir uns im «Palmöl Netzwerk Schweiz», das noch einen Schritt weitergeht und eine Vorreiterrolle in Sachen nachhaltiges Sourcing einnimmt. Erklärtes Ziel ist es, den RSPO-Standard weiterzuentwickeln und die Durchsetzung der Vorgaben in den Lieferketten zu verbessern. Wir sehen uns in der Pflicht, auf diesem Weg einen Beitrag zu nachhaltigeren Anbaumethoden zu leisten.
Auf welche Standards setzt Nutriswiss konkret?
In Bezug auf tropische Öle und Fette setzen wir neben RSPO-zertifiziertem Palmöl auf Fairtrade-Rohstoffe, zum Beispiel Kokosöl oder Kakaobutter. Generell legen wir besonderes Augenmerk auf ständige Transparenz und ständige Kontrollen entlang der gesamten Lieferund Produktionskette.
Für welche Produktkategorien ist der Ersatz durch einheimische oder europäische Rohstoffe realistisch?
Bisher wird Palmöl in den verschiedensten Produktkategorien eingesetzt: Convenience, Schokolade, Süsswaren oder auch Backwaren. Wird es durch Pflanzenöle ersetzt, beeinflusst das den Geschmack, die Konsistenz sowie die Stabilität. In jedem Fall erarbeiten wir eine individuelle Alternativrezeptur, je nach Applikationskategorie, die ein optimales Endprodukt ermöglicht und auch den Herstellungsprozess berücksichtigt. Die Reformulierung von Füllfetten, Kuvertüren oder Glasurmassen für Schokoladenprodukte als palmfreie Variante gehört mittlerweile zu den üblichen Kundenanfragen, die wir bearbeiten. Als Ersatz für Palmöl nutzen wir zum Beispiel Kakaobutter und/oder Kokosfett, weil es der Konsistenz am ehesten entspricht. Kommen nur heimische Rohstoffe infrage, kann auch ganz gehärtetes Saatenöl, zum Beispiel heimisches Rapsöl, als strukturgebende Basis dienen. Im Gegensatz zu teilgehärteten Ölen, sind diese oxidations- und temperaturstabil und praktisch frei von Transfettsäuren. So entwickeln wir Alternativformulierungen mit angereicherten Fettsäuren, die für perfekten Schmelz und Sensorik sorgen.
Wie vermeiden Sie unerwünschte Kontaminationen bei den Rohstoffen, bei der Beschaffung – welche technologischen Innovationen unterstützen dies zusätzlich?
Durch Vertragsanbau, direkte Kontakte in den Herkunftsländern und die Zusammenarbeit mit ausgewählten Lieferanten auf der ganzen Welt können wir die sehr gute Ausgangsqualität unserer Rohstoffe sicherstellen. Damit diese auch bei uns ankommt, sind die Transportbedingungen die wichtigste Stellschraube, um Kreuzkontamination, Migration von Mineralölen oder auch Oxidation zu verhindern, die Öle ranzig werden lässt. Die Rohware wird von einer Fachkraft geprüft, bevor sie in unsere eigenen, versiegelten «Food-Grade»-Container gefüllt wird. So ist kein risikobehaftetes Umladen oder Umpumpen nötig, die Fracht wird per Satellit verfolgt und erst bei uns im Werk wieder geöffnet. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass jede einzelne Charge zu 100 Prozent rückverfolgbar ist.
Bei welchen Rohstoffen sind solche Prozesstechnologien besonders wichtig?
Klar ist, je reiner die Rohstoffe bereits sind, desto weniger intensiv müssen sie aufgereinigt werden. Gerade bei Spezialprodukten wie Babynahrung spielt die Reinheit eine herausragende Rolle. Diese Anwendungen sind in der EU streng geregelt, sie müssen die Omega-3-Fettsäure DHA enthalten und es gelten niedrige