Lebensmittel-Industrie: Sie haben 2023 die Unternehmensleitung von Christian Aschwanden übernommen – eine erste Standortbestimmung?
Thomas Truttmann: Max Felchlin ist ein Traditionsunternehmen mit starken, zeitgemässen Werten, Produkten von Weltformat und grossartigen Lieferantenpartnern, ausserordentlich motivierten Mitarbeitenden und langjährigen Kunden. Jeder in der Wertschöpfungskette setzt sich für ein nachhaltig gutes Produkt und eine Beziehung ein, welche nicht nur heute, sondern auch morgen Bestand hat.
Das Unternehmen Felchlin ist seit Jahrzehnten als wichtiger Zulieferbetrieb für die Bäckerei-Konditorei- Confiserie-Branche bekannt – auch in Zukunft?
Selbstverständlich. Wir kennen unsere Herkunft. Die Branche wird für uns auch künftig von grosser Bedeutung sein. Mit welchen Produkten dies der Fall sein wird, das wird sich zeigen. Wir werden unser Angebot so weiterentwickeln, damit wir dem Bedarf der Branche bestmöglich gerecht werden.
Welche weiteren Produkt- und Vermarktungskanäle sind von Bedeutung?
Neben dem Heimmarkt Schweiz bieten vor allem die Exportmärkte für uns noch immer grosses Potenzial. Es gibt weltweit immer mehr Kunden, die unsere hohe Produktequalität, unser nachhaltiges Arbeiten und langfristige Partnerschaften schätzen.
Dieses Jahr feiert Felchlin «25 Jahre Grand Cru Couverturen » – welche Bedeutung hat dieses Angebot im Gesamtsortiment?
Die Grand Cru Couverturen sind noch immer unser Flagship. Mit der Felchlin-Fair-Direct-Cacao- Einkaufsstrategie waren wir der Zeit weit voraus. Und nachhaltiges Einkaufen und eine Unternehmenskultur, welche auf lange Partnerschaften ausgelegt ist, hat noch immer eine grosse Zugkraft. Unsere Grand Cru Couverturen werden auch heute noch immer wieder von neuen Kunden entdeckt.
Seit einigen Jahren findet Cacaopulpe und Cacaosaft als Ersatz/Reduktion von Zucker Verwendung – auch im Felchlin-Sortiment?
Wir setzen dies dort ein, wo es zur Verbesserung unserer Produkte beiträgt. Mit der Cacaofrucht Couverture haben wir ein Produkt im Sortiment, welches dank der Verwendung von lediglich zweiZutaten, der Cacaomasse und eben dem Saft aus der Pulpe eine äusserst authentische und reine Couverture ist. Der Einsatz von speziellen Ingredienzien hat jedoch immer auch einen Einfluss auf die Sensorik und auf das Verhalten der Produkte in der weiteren Verarbeitung. Dies gilt es, zu berücksichtigen. Wir führen Cacaofruchtsaft und getrocknete Cacaopulpe in Flakes-Form als Handelsartikel der Firma KOA im Sortiment und produzieren diese nicht selbst. Wir setzen sie aber auch in Rezepten und Applikationen ein, als eine zusätzliche Inspiration für unsere Kunden, um spezifisch geschmackliche Akzente zu setzen.
Damit diese Zutaten überhaupt verfügbar sind, braucht es eine rasche Verarbeitung vor Ort – was sind Ihre Erfahrungen damit?
Wie erwähnt, produzieren wir diese Produkte nicht selber, sondern haben mit der Firma KOA einen Partner, der sich auf diesen Bereich spezialisiert hat und direkt in Ghana mit eigens dafür entwickelten und auf die lokalen Gegebenheiten angepassten Fahrzeugen und Apparaturen unmittelbar nach der Ernte den Saft und die Pulpe gewinnt und den Bauern damit ein Zusatzeinkommen ermöglicht.
Gibt es weitere Ansätze für eine vermehrte Verarbeitungs- Kooperation in den Anbauländern?
Wir sind permanent mit unseren Partnern in Kontakt. Ich selbst kam gerade erst aus Venezuela zurück. Bei solchen Besuchen sind weiterführende Kooperationen immer auch ein Thema. Sei es in Bezug auf mögliche weitere Verarbeitungskooperationen, oder in Themen betreffend Nachhaltigkeit oder im Zusammenhang mit dem Thema Gesundheit, mit dem wir derzeit zusammen mit Elucid ein spannendes Neuland betreten.
Sie verfügen über enge Kontakte mit Ihren Partnern in den Anbaugebieten – welche Ziele und Strategien verfolgen Sie dabei?
Unsere Ziele blieben seit Jahren die gleichen. Wir wollen die beste Qualität an Cacao kaufen; und dies zu Bedingungen, welche unseren Partnern ein ansprechendes Leben und mit der Zusammenarbeit eine gute Partnerschaft sicherstellen. Diese muss für alle Parteien auf lange Sicht hin Sinn machen. Es geht nicht um eine transaktionale Käufer-Verkäufer-Beziehung, sondern um eine echte, gelebte Partnerschaft.
Welche Anbaukriterien stehen im Vordergrund, welche Relevanz hat die biozertifizierte Produktion?
Der Anbau muss so erfolgen, dass der Boden auch den nächsten Generationen ein gutes Einkommen ermöglicht. Dazu beraten unsere Partner im Ursprung die Cacao- Bauern individuell bezüglich regenerativer Anbaumethoden. Felchlin unterstützt solche Programme zum Teil auch finanziell. Biozertifizierte Produkte haben durchaus ihren Markt. Es wäre jedoch verwegen, dies von allen Cacao- Bauern zu verlangen. Wenn die ganze Wertschöpfungskette ein Bioprodukt verlangt, dann sind wir gerne mit dabei. Prioritär sind für uns jedoch die Sicherstellung eines existenzsichernden Einkommens, die Gesundheitsversorgung und eine langfristige Partnerschaft, welche eine grosse Sicherheit mit sich bringt.
Wie stellen Sie die Einhaltung und Rückverfolgbarkeit Ihrer Anforderungen vor Ort sicher?
Wir kaufen fast ausschliesslich direkt im Ursprung ein. Der Transport findet von dort direkt in unser Warenlager hier in der Schweiz statt. Dank der regelmässigen Besuche unserer Felchlin- Cacao-Einkäufer, haben wir einen tiefen Einblick in die Arbeit unserer Partner vor Ort. Für gewisse Themen setzen wir zusätzlich auf externe Prüfstellen.
Felchlin setzt nicht auf offizielle Fairtrade-Labels und Programme. Was sind Ihre Gründe dafür?
Wir haben Fairtrade und Rainforest Alliance, Bio und Bioknospe, je nach Anforderung des Kunden im Einsatz. Viel wichtiger ist jedoch unser eigenes Fair Direct Cacao Label. Dies ist ein Standard, an den wir uns schon seit 20 Jahren strikte halten, dies lange bevor Fairtrade-Label en vogue wurden. Unsere Kunden kennen und schätzen Fair Direct Cacao gerade auch deshalb, weil es tagtäglich gelebt wird und sich nicht immer dem gerade gängigen Trend anpasst. Unsere Kunden können sich auch selbst von Fair Direct Cacao vor Ort im Ursprung ein Bild machen. Wir haben immer wieder Kunden, welche auf eigene Faust oder im Rahmen einer organisierten Kundenreise mit uns in den Ursprung reisen.
Wie beurteilen Sie allgemein die Situation im Kakaomarkt – welche Herausforderungen stellen sich aktuell und für die Zukunft?
Die schlechte Ernte in der Elfenbeinküste und die sehr hohen Preise am Weltmarkt sind für alle Partner der Wertschöpfungskette eine grosse Herausforderung. Zusätzlich heizen Rohstoff- Spekulanten den Markt an, ohne je etwas Produktives mit dem Cacao tun zu wollen. In dieser komplexen Situation versuchen wir, ein möglichst stabiler Partner zu sein und nicht noch selbst auf unsichere Szenarien zu setzen. Dies wurde in der Vergangenheit geschätzt, und wir sind überzeugt, dass es auch der richtige Weg für die Zukunft ist. Unsere Partner im Ursprung wie auch kundenseitig wissen, dass wir auch morgen noch für sie da sein werden.
Vielen Dank für das Gespräch!