Wieder grosser EU-Milchjammer


Bisweilen ist es, als sei keine Zeit vergangen: Wieder lautstarke Proteste bedrängter Milchbauern, wieder Forderungen an nationale Regierungen und die EU, «sofort etwas für den Milchpreis zu tun», obwohl wie fast immer keiner weiss, was getan werden könnte.

Dr. Dietmar Stutzer

Es ist, als habe es die vielen Erklärungen vor und nach dem 31. März 2015 und der Aufhebung der Lieferquoten für Milch gar nicht gegeben. Wieder stehen sich die Kontrahenten gegenüber und wieder muss die EU erleben, dass sie besonders die Probleme des Milchmarktes nicht lösen kann.
Das Jahr 2015 hat für die heimischen Milchbauern einen stetig rückläufigen Erzeugerpreis gebracht. Aktuell liegen die durchschnittlichen Erzeugerpreise bei 33,5 Cent netto, das ist um 7,6 Cent oder um 18 Prozent niedriger weniger als im Vorjahr. Die EU-Kommission geht oder besser ging davon aus, dass der durchschnittliche Milchpreis künftig 35 Cent pro Liter liegen werde. Das wäre deutlich mehr als gegenwärtig bezahlt wird. In weiten Teilen der EU haben sich die Erzeugerpreise sogar bis zu 28 Cent/kg zurückgebildet. Dies gilt beispielsweise für das grösste Erzeugerland Deutschland. Frankreich weist dagegen für seine grossen Milchverarbeiter leicht steigende Erzeugerpreise von 32 bis 35 Cent/kg aus. Dies entspricht den Annahmen der EUKommission. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Frankreich das einzige grosse EUMilchland ist, das sich während fast zwei Jahren durch die Entwicklung neuer Vertragsmodelle für die Liefer- und Abnahmebeziehungen zwischen Milcherzeugern und -verarbeitern umfassend auf das Ende der Milchquoten vorbereitet hat.

Der Markt soll Preise steuern
Angebot und Nachfrage auf dem EUMilchmarkt befinden sich inzwischen insgesamt deutlich im Ungleichgewicht. Der Export nach China geht zurück. Hinzu kommen die Marktverluste durch die Lieferkonflikte mit Russland. Nach der Aufhebung der Lieferquoten haben allein die deutschen Milchbauern die Milchproduktion um 3,7 Prozent gesteigert, in der Gesamt-EU um 0,9 Prozent, bei einer Gesamtproduktion von etwa 154 Millionen t Rohmilch. Es ist also viel Milch auf dem Markt. Bei der letzten grossen Milchkrise 2008/2009 ist die internationale Nachfrage dramatisch eingebrochen. Das ist jetzt anders. Die Nachfrage ist einigermassen stabil. Die Herausforderung liegt darin, die zu viel produzierte Milch abzusetzen. In Europa kann aber die Nachfrage kaum noch gesteigert werden. Rückblickend hat die Quotenregelung seit 1984 ihre Ziele nicht erreicht: Sie hat weder zu stabilen Erzeugerpreisen geführt noch den Strukturwandel aufgehalten. Zwischen 1984 und 2014 ist die Zahl allein der deutschen Milcherzeuger von 369 000 auf 77 000 zurückgegangen. Das entspricht einem Rückgang von 79 Prozent. Die Entwicklung zeigt: Staatliche Markteingriffe wie die Milchquote sind auf Dauer keine Lösung.


Hilfe kommt oft zu spät
Man erinnere sich: Als die Schweiz 2009 die Milchquoten aufgehoben hat, war Jörg Walter Präsident des SBV. Er war in Süddeutschland hochgeschätzt und wurde oft zu Vorträgen eingeladen. Immer wieder hat er gesagt: «Ganz ohne Mengensteuerung wird es nicht gehen!» Allzu gern hat man es nicht gehört, aber jetzt spürt man, wie recht er hatte. Die bessere Lage der Milchmärkte in Frankreich bestätigt ihn ebenfalls. Die privatrechtlichen Milchliefer- und Abnahmeverträge haben es bis zu einer begrenzten mengensteuernden Funk tion geschafft. Eine effiziente Marktsteuerung kann aber nur vorgenommen werden, wenn zeitnah verlässliche Marktinformationen vorliegen. Dies ist für den EU-Milchmarkt und den Weltmarkt nicht der Fall. Die Preis- und Mengeninformationen sind systembedingt mindestens zwei Monate alt. Bevor eine Marktkrise erkannt wird und die entsprechenden Massnahmen ergriffen werden können, kommt die Hilfe für die Marktbeteiligten bereits zu spät.
Nach geräuschvollen Demonstrationen hat der Agrarministerrat am 7. September ein Hilfspaket von 500 Millionen Euro beschlossen. Mehr als 350 Millionen Euro davon sollen die EU-Staaten direkt an die Bauern auszahlen können. Am meisten Geld sei für die baltischen EU-Staaten und die anderen osteuropäischen Staaten vorgesehen, die am stärksten von der Krise betroffen seien.

Frühere Auszahlung
Nach Angaben von EU-Diplomaten stammt die Summe aus der Abgabe, die Milchbauern zahlen mussten, wenn sie die bis zum Frühjahr geltende Milchquote überschritten hatten. Um die «Flucht in die Vergangenheit» komplett zu machen, zahlen die Milchbauern ihre Hilfen im wesentlichen also selber. Zudem sind Massnahmen geplant, um den Markt zu stabilisieren und damit die Handelskette besser funktionieren zu lassen.
Darüber hinaus will die Kommission den Staaten erlauben, die Auszahlung der Direkthilfen, die die Landwirte jährlich von der EU erhalten, und anderen Subventionen vorzuziehen. Die Landwirte bekommen so zwar nicht mehr Geld, hätten es aber früher zur Verfügung, um akute Zahlungsschwierigkeiten zu vermeiden. Um die Nachfrage anzukurbeln, will die EU-Behörde 2016 unter anderem mehr Geld für die Werbung für Agrarprodukte bereitstellen. Keine Mehrheit gab es für staatliche Markteingriffe wie eine Erhöhung des Interventionspreises. Ihn von jetzt unter 22 Cent auf 25 Cent anzuheben, wollte Österreich erreichen, damit die EU Produkte ab dieser Schwelle aus dem Markt nehmen könne. Vor allem wollte niemand etwas von der Wiedereinführung von Lieferquoten wissen, die unter den Bauern nicht wenige Freunde hat.

Die Situation in der Schweiz
Auch am 7.September hat in der Schweiz der Vorstand der Branchenorganisation Milch (BOM) ein Seminar durchgeführt mit dem Ziel, die gemeinsamen Herausforderungen der Zukunft zu identifizieren und Produktions- und Marktstrategien für die Zukunft auf den Weg zu bringen. Die Situation auf dem helvetischen Milchmarkt ist gegenwärtig besonders schwierig. Die Produzenten leiden unter sehr niedrigen Milchpreisen und die Verarbeiter kämpfen vor allem seit der Frankenaufwertung um Marktanteile im Inland und noch mehr im Export. Zudem müssen auch die Detailhändler Monat für Monat zur Kenntnis nehmen, dass Einkaufstouristen vermehrt Milchprodukte in die Schweiz einführen. Die in der BOM vertretenen Akteure der Schweizer Milchwirtschaft haben festgestellt, dass nicht nur die momentan schwierigen Marktbedingungen Sorgen bereiten. Auch das agrarpolitische Umfeld hat die hiesige Milchwirtschaft in den vergangenen Jahren übermässig belastet: So gehören die Milchproduzenten vor allem im Talgebiet zu den grossen Verlierern des neuen Direktzahlungssystems, die Liberalisierung der Agrarmärkte trifft die Schweizer Milchwirtschaft mehr als andere Produktebereiche, die noch von einem weitgehend geschützten Markt profitieren.
Die Milchwirtschaft ist aber nicht nur der wichtigste Betriebszweig der Schweizer Landwirtschaft, sie ist auch derjenige Bereich, in dem die Preisunterschiede zur EU bereits relativ gering sind. Die gute Qualität und starken Marken rechtfertigen einen Mehrwert für die Schweizer Milch. Die Branche ist sich sicher, dass die Produktion und die Verarbeitung im zukünftigen Markt bestehen können. Um dieses Potenzial zu nutzen, hat sich der Vorstand entschieden, eine Mehrwert und Qualitätsstrategie für die Schweizer Milch zu definieren und rasch konkrete Umsetzungsschritte auf den Weg zu bringen. Zudem will sich die BO Milch in agrarpolitischen Fragen vermehrt in die Diskussion einbringen und dazu beitragen, dass die Gesamtinteressen der Milchwirtschaft eine Stimme haben. Man hält sich also noch ziemlich bedeckt, aber von einem Rückmarsch in die Vergangenheit kann in der Schweiz keine Rede sein.


Lebensmittel-Industrie Ausgabe 9/10 Oktober 2015

EVENTS

IFAT

Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft

Datum: 13.-17. Mai 2024

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VITAFOODS EUROPE

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Datum: 14.-16. Mai 2024

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drupa

Weltweit führende Fachmesse für Drucktechnologien

Datum: 28. Mai-07.Juni 2024

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Datum: 05.-06. Juni 2024

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Internationale Leitmesse der Prozessindustrie

Datum: 10.-14. Juni 2024

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SENSOR + TEST

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Datum: 11.-13. Juni 2024

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Das Swiss Green Economy Symposium ist die umfassendste Konferenz zu Wirtschaft und Nachhaltigkeit mit zunehmend internationaler Ausstrahlung. Seit 2013.

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all about automation

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Datum: 28.-29. August 2024

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maintenance Schweiz

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Datum: 28.-29. August 2024

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Ilmac Lausanne

Networking. Forum. Aussteller

Datum: 18.-19. September 2024

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Datum: 24.-26. September 2024

Ort: Nürnberg (D)

W3+ Fair Jena

Europas führende Plattform für Forschung und Innovationskraft

Datum: 25.-26. September 2024

Ort: Jena (D)

SÜFFA

Die Fachmesse für die Fleischbranche

Datum: 28. - 30. September 2024

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IN.STAND

Die Messe für Instandhaltung und Services

Datum: 08.-09. Oktober 2024

Ort: Stuttgart (D)

Chillventa

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Datum: 08.-10. Oktober 2024

Ort: Nürnberg (D)

SIAL

Fachmesse für Nahrungsmittel-Innovationen

Datum: 19.-23 Oktober 2024

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Südback

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Datum: 26.-29. Oktober 2024

Ort: Stuttgart (D)

ALL4PACK EMBALLAGE

The global marketplace for Packaging Processing Printing Handling

Datum: 04.-07. November 2024

Ort: Paris (F)

Brennpunkt Nahrung

Fachkonferenz über Trends, Märkte und Management

Datum: 5. November 2024

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 «Made in Switzerland - Gute Partnerschaften für mehr Ernährungssouveränität»

Datum: 8. Februar 2024

Ort: Online-Event (CH)

electronica

Weltleitmesse und Konferenz der Elektronik

Datum: 12.-15. November 2024

Ort: München (D)

Fi Europe

Internationale Fachmesse für Lebensmittelzusatzstoffe

Datum: 19.-21. November 2024

Ort: Frankfurt (D)

BrauBeviale

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Datum: 26.-28. November 2024

Ort: Nürnberg (D)

glug.swiss

Der neue Treffpunkt für Bier- und Getränkeproduzierende | vom Profi bis zum Selbstvermarkter

Datum: 06.-07. Februar 2025

Ort: Aarau (CH)

BioFach

Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel

Datum: 11.-14. Februar 2025

Ort: Nürnberg (D)

CCE International

Europas wichtigster Branchenevent für die Wellpappen- und Faltschachtelindustrie.

Datum: 11.-13. März 2025

Ort: München (D)

IFFA

Internationale Leitmesse – Technology for Meat and Alternative Proteins

Datum: 03.-08. Mai 2025

Ort: Frankfurt (D)

TUTTOFOOD

Internationale B2B-Messe für Food & Beverage

Datum: 05.-08. Mai 2025

Ort: Mailand (I)

iba

Die führende Weltmesse für Bäckerei, Konditorei und Snacks

Datum: 18.-22. Mai 2025

Ort: München (D)

LABVOLUTION

Europäische Fachmesse für innovative Laborausstattung und die Optimierung von Labor-Workflows

Datum: 20.-22. Mai 2025

Ort: Hannover (D)

Automatica

Die Leitmesse für intelligente Automation und Robotik

Datum: 24.-27. Juni 2025

Ort: München (D)

SINDEX

Schweizer Messe für industrielle Automatisierung

Datum: 02.-04. September 2025

Ort: Bern (CH)

Drinktec Deutschland

Auf der Weltleitmesse der Getränke- und Liquid-Food-Industrie

Datum: 15.-19. September 2025

Ort: München (D)

Oils + fats

Leitmesse der Öl- und Fettindustrie in Europa.

Datum: 15.-19. September 2025

Ort: München (D)

Ilmac

Fachmesse für Prozess- und Labortechnologie

Datum: 16.-18. September 2025

Ort: Basel (CH)

AM Expo

Fachmesse und Symposium: Inspiration, Weiterbildung und Netzwerk

Datum: 16.-17. September 2025

Ort: Luzern (CH)

CMS Berlin

Internationale Leitmesse für Reinigung und Hygiene

Datum: 23.-26. September 2025

Ort: Berlin (D)

POWTECH

Pharma.Manufacturing.Excellence

Datum: 23. - 25. September 2025

Ort: Nürnberg (D)

Anuga

Weltweite Ernährungsmesse für Handel und Gastronomie/Ausser-Haus-Markt

Datum: 04.-08. Oktober 2025

Ort: Köln (D)

A + A

Messe und Kongress für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit

Datum: 04.-07. November 2025

Ort: Düsseldorf (D)

igeho

Internationale Branchenplattform für Hotellerie, Gastronomie, Take-away und Care

Datum: 15.-19. November 2025

Ort: Basel (CH)

AQUA Suisse

Die Schweizer Fachmesse für kommunales und industrielles Wassermanagement.

Datum: 26.-27. November 2025

Ort: Zürich (CH)

Pumps & Valves

Die Fachmesse für industrielle Pumpen, Armaturen & Prozesse

Datum: 26. - 27. November 2025

Ort: Zürich (CH)

EuroShop

Fachmesse für den Investitionsbedarf des Handels

Datum: 22.-26. Februar 2026

Ort: Düsseldorf (D)

interpack

Führende Messe für Prozesse und Verpackung

Datum: 07.-13. Mai 2026

Ort: Düsseldorf (D)

Bezugsquellenverzeichnis