Die Förderung der Lebensmittelforschung ist der Adalbert-Raps-Stiftung ein besonderes Anliegen. Der frisch sanierte Heinersreuther Hof, der sich im Besitz der Stiftung befindet, bot mit seiner Mischung aus Alt und Modern, dem freien Blick in die Natur und dem weitläufigen Gelände das ideale Ambiente für einen innovativen Ideenaustausch. Als Problemlöser und Zukunftsgestalter bezeichnete Stiftungsvorstand Frank Kühne die Anwesenden aus den Bereichen Forschung, Industrie und aus der Medizin. Es sei wichtig, Fachleute aus den unterschiedlichsten Bereichen miteinander ins Gespräch zu bringen und „Zukunft zu denken.“
Herausforderungen des Food-Systems
In seiner Keynote sprach Prof. Dr. Tilo Hühn von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften darüber, wie bereit die Gesellschaft sei, das „Neue“ in die Welt zu lassen. „Wir sind dabei gut beraten, uns mit Exponentialität zu beschäftigen“, sagte der Experte für Exponential Food Technology. „Vor 12.000 Jahren haben wir nicht nur Tiere domestiziert, sondern auch Mikroorganismen, wir wussten es nur nicht.“ Man müsse nun wirksame Narrative finden, es brauche Vorstellungskraft und Bereitschaft sowie den Einsatz moderner Datentechnologie. „Nach der Übernutzung in den vergangenen Jahren müssen wir zum Regenerativen aufbrechen“, sagte Tilo Hühn. Frühere Nebenströme müssten zu Hauptströmen werden; neue Extraktionsverfahren wie etwa bei Nüssen führten dazu, dass nicht mehr die Hälfte der Biomasse in Form von Schalen weggeworfen werden müsse, sondern zu einem essbaren Produkt verarbeitet werden könne.
Vielseitige Hefe
Über den Einsatz von aus Hefe gewonnenem Fett in pflanzenbasierten Milchproduktalternativen sprach Dr. Lukas Neutsch, ebenfalls von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Auch hier spielt das exponentielle Wachstum von Mikroorganismen eine wichtige Rolle. In dem von der Adalbert-Raps-Stiftung geförderten Projekt wird ein Verfahren zum Kultivieren von Hefe entwickelt, die auf natürliche Weise viel Fett produziert. Dieses Fett wird aus den Hefezellen extrahiert und kann als Alternative zu pflanzlichen Fetten eingesetzt werden. Anders als das sonst genutzte pflanzliche Fett bringt das Hefefett mehr Textur und ein besseres Mundgefühl in die Produkte. So soll die Akzeptanz dieser Produkte beim Konsumenten verbessert und ein genussvoller Umstieg ermöglicht werden.
Franziska Beck, Doktorandin an der TU München, stellte ein Projekt zum Thema „Herstellung funktioneller Eiproteine mittels Präzisionsfermentation“ vor. Die Studierenden erforschen alternative Proteine, hier im Speziellen die effiziente und skalierbare rekombinante Herstellung von Ei-Proteinen. Es gelte, den ansteigenden Konsum auf möglichst nachhaltige Weise zu decken. Ein Vergleich der Produktion von Heute gegenüber der von Morgen zeigt, dass die Biotechnologie viele Vorteile bietet. Vor allem lassen sich naturidentische Proteine mit geringerem Umwelteinfluss und höherer Skalierbarkeit herstellen. Nachteile seien hohe Kosten, technische Komplexität aber auch ethische Bedenken, was beispielsweise die Gentechnik betrifft.
Akzeptanz von Gentechnik
Mit der Akzeptanz von Gentechnik beschäftigen sich Hanno Kossmann und David Barkhausen von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Die „mediale Darstellung neuer Gentechniken für die deutsche Ernährungsbranche“ sind Kern einer Untersuchung, in der festgestellt wurde, dass es überraschend viele positive Schlagzeilen gab. „Es gibt noch immer viele bioethische Bedenken in Bezug auf die Risiken, die wir nicht abschätzen können“, sagten die Wissenschaftler. Etwa in der Hinsicht, ob es richtig sei, die Büchse der Pandora zu öffnen. Dennoch scheint sich eine leichte Öffnung hinsichtlich Techniken wie CRISPR/Cas abzuzeichnen.
Ein weiteres interessantes Feld beleuchtete Bastian Loderhose von der Justus-Liebig-Universität Giessen, der sich mit Mycelien und ihren Fruchtkörpern beschäftigt. Hierbei geht es etwa um die Aufwertung von Nebenströmen, zum Beispiel Biertreber als Nebenprodukt des Bierbrauprozesses. Außerdem soll das Risikopotential der Mycelien intensiv beleuchtet werden. Es sollen geeignete Analyseverfahren identifiziert werden, die beispielsweise bei dem Zulassungsprozess für Mycelien helfen können, die Sicherheit des Lebensmittels zu belegen.
Michael Bader von der Vetmeduni Wien beschäftigt sich in seinem Projekt wiederum mit der mikrobiellen Qualität pflanzenbasierter Alternativprodukte. Neue Rohstoffe und neue Herstellungsverfahren, könnten auch neue Herausforderungen mit sich bringen. So sollen in der Studie 300 Proben von kooperierenden Unternehmen sowie aus dem Einzelhandel untersucht werden. Die Ergebnisse sollen Orientierung für Lebensmittelproduzenten und Überwachungsbehörden bieten und können als Grundlage für die Risikobewertung der Produkte dienen.
Neurologen denken um
Spannend waren während der Forscherscheune nicht nur die vielseitigen aktuellen Projektvorstellungen der einzelnen Experten, sondern auch, dass so viele verschiedene Aspekte in den Diskurs einfließen konnten. So präsentierten auch ehemalige Förderpartner wie Prof. Dr. Jürgen Winkler und Prof. Dr. Beate Winner vom Universitätsklinikum Erlangen einen Blick auf die neurologischen Zusammenhänge zwischen dem Gehirn und dem enterischen Nervensystem im Darm. Das war für viele ein Aha-Moment. So lautet die Hypothese der Forscher, dass bei Erkrankungen wie Parkinson oder Multipler Sklerose die Erkrankung nicht im Hirn anfange, sondern im Darm. „Die Erkrankung beginnt schon viel früher im Darm, als es der Patient merkt.“ Auch die Nahrung bestimme, ob sich Erkrankungen Jahre später im zentralen Nervensystem (ZNS) niederschlagen. Ziel der Forschung sei es, ein gestörtes Mikrobiom, das Treiber für Erkrankungen des ZNS sei, zu einem gesunden zu machen.
Alles Utopie? Natürlich nicht!
In Heinersreuth ging eine informative und innovative Veranstaltung zu Ende, und Stiftungsvorstand Frank Kühne zeigte sich höchst zufrieden. „Als Stiftung haben wir den gesellschaftlichen Auftrag, zu vernetzen, damit neue Lösungen entstehen, das bringt unsere Gemeinschaft voran.“ Natürlich sei man sich bewusst, dass vielleicht einiges phantastisch und utopisch klinge, „aber wir müssen mit Experten im Gespräch bleiben, um herauszufinden, welche Weichen wir stellen müssen.“
Weitere Informationen unter www.raps-stiftung.de