Wo steht die Instandhaltung der Branche aktuell in dieser Krisenzeit und welche Herausforderungen stellt sich für die industrielle Instandhaltung?
Bernhard Bürgler: Grundsätzlich sind wir als Branche ziemlich gut durch die Krise gekommen. Eine generelle Aussage ist schwierig, weil wir sehr breit aufgestellt sind. Die noch immer bekannten Herausforderungen sind vor allem der Kostendruck, der Fachkräftemangel und die Digitalisierung. Dazu hat die Krise natürlich neue Herausforderungen gebracht. Ein Beispiel sind die weltweiten Lieferketten, die nicht mehr so reibungslos funktionieren, wie in der Vergangenheit. Besonders deutlich zeigt sich dies bei elektronischen Bauteilen, welche viel längere Lieferzeiten haben oder teilweise einfach nicht erhältlich sind. Daher muss man Lösungen und Wege finden, um dieses Problem zu umgehen oder damit zu leben.
Welche Möglichkeiten sehen Sie bei der immer mehr verwendeten Künstlichen Intelligenz (KI) und dem Internet of Things (IoT)?
Bürgler: Wir sind am Beginn einer grossen Digitalisierungswelle in der Instandhaltung. Ich persönlich beschäftige mich momentan intensiv mit Predictive Maintenance. Das ist auch eines der ganz grossen Themen dieser Messe. Aus meiner Sicht kommen wir langsam aus der Hype- und Trial Phase heraus und es geht in Richtung industrietauglicher Anwendungen, die einen klaren Mehrwert für die produzierenden Betriebe darstellen können.
Welche Verbandsziele und Perspektiven für ihre Mitglieder haben Sie für das kommende Jahr?
Rainer Artho: Wir kommen jetzt aus einer zweijährigen Pandemie und wenn ich nach vorne blicke und an 2022 denke, dann geht es für uns primär darum, wieder in die Normalität zurückzukehren. Wir leben als Verband sehr stark von Netzwerk-Aktivitäten, und zwar von physischen Netzwerken. Das ist eines der drei Kernengagements von fmpro, das wir faktisch die vergangenen zwei Jahre nicht betreiben konnten. Mit unserer wieder erstarkten Aktivität kehren wir jetzt zurück in die Normalität. Auch die Kooperationsebene wird wieder lebendig, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit dem Institut für Datenanalyse und Prozessdesign (IDP) – ZHAW oder auch mit anderen Verbänden, die im Instandhaltungsbereich zu Hause sind. Diese wichtigen Kooperationen haben durchaus etwas gelitten durch den Rückzug ins Homeoffice.
Nun planen Sie auch wieder richtige Events mit Besuchern vor Ort?
Artho: Ja, normalerweise führen wir bis zu 50 Anlässe in einem Jahr durch. Das sind lose Netzwerktreffen, Veranstaltungen, Besichtigungen oder Referate bis hin zu Weiterbildungen. Wie schnell wir wieder auf das Niveau vor der Pandemie erreichen, ist noch unklar. Im Moment spüren wir noch eine gewisse Zurückhaltung seitens der Unternehmen wie auch auf persönlicher Ebene. Und die Verordnungen des Bundes sind immer noch da und können eventuell wieder verschärft werden.
Bürgler: Die wichtigsten Anlässe für die Instandhaltung sind unser Instandhaltungstag und die Instandhaltung-Roundtables, die wir wieder hochfahren wollen. Der Instandhaltungstag ist immer ein Highlight im Jahr der Fachleute. Dazu ist geplant, dass wir im Frühjahr 2022 ein AKW besuchen werden.
Welche Themen werden Sie als Verband auf die maintenance Schweiz bringen und welchen Mehrwert generieren Sie so für Ihre Mitglieder und Interessierte?
Bürgler: Aus meiner Sicht ist die Messe ideal, um eben den Stand der Technik auszuloten. Gerade in der Digitalisierung sind die neuesten Technologien ausgestellt und werden vorgeführt. Ich freue mich ganz konkret auf das Thema Predictive Maintenance und was die unterschiedlichen Hersteller dazu zu bieten haben. Smart Sensors wird ein weiteres grosses Thema sein. Die Instandhaltungsfachleute werden in Zukunft viel mehr mit Daten arbeiten. Da ist noch ein riesiges Potenzial vorhanden, etwa bei der Verknüpfung, der guten und benutzerfreundlichen Aufarbeitung sowie der richtigen Interpretation von Daten. Diese Themen werden uns noch lange beschäftigen in der Branche. Da liegt ein umfangreiches Potenzial, denn hier stehen wir aus meiner Sicht erst am Anfang einer grossen Entwicklung.
Sie sind am Puls der Zeit, die digitale Instandhaltung bzw. Digitalisierung setzen Sie schon um. Welche drei wichtigen Vorteile können Sie hierbei nennen?
Bürgler: Die Instandhaltungsleiter sind geerdete Leute, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Erstens müssen für sie digitale Werkzeuge funktionieren. Das ist oder war in der Vergangenheit noch nicht immer so. Aber inzwischen haben wir industrietaugliche Lösungen. Zweitens müssen digitale Werkzeuge Sinn machen und einen Mehrwert für den Instandhalter bringen. Es kann nicht sein, dass wir eine Lösung installieren und dann erhalten wir Dutzende falscher Alarme, welche uns von unserer Kerntätigkeit ablenken. Daher muss drittens der Nutzen spürbar sein und in einer guten Balance. Langsam sind wir soweit mit dieser Technologie.
Die Vernetzung zwischen Industrie, Wissenschaft, Anwendern und Bildungsinstitutionen ist auch wichtig für eine erfolgreiche Strategie Ihrer Mitglieder. Wie sieht die Bildungsstrategie aus?
Artho: Alle unsere Aktivitäten unterstützen die Vernetzung der verschiedenen Akteure in unserem Branchenumfeld. Wir haben aber auch spezielle Plattformen, zum Beispiel ein Bildungs-Netzwerk, bei welchem wir ganz gezielt den Austausch von Bildungsanbietern zum HR-Bereich der Unternehmen fördern. Ein weiteres spannendes Netzwerk bilden die Experten für die eidgenössischen Prüfungen. Die Prüfungserstellung, -Durchführung und die Korrekturarbeiten sind einerseits ein starkes, ausserberufliches Engagement, andererseits aber auch ein hervorragendes Netzwerk im Bereich der Maintenance.
Zur Bildungsstrategie und -aktivität von fmpro: wir sind ja Träger der höheren Fachprüfungen Leiter Facility Management und für Instandhaltungsleiter. Ab 2022 werden diese beiden Abschlüsse zu einem Titel «Leiter*in FM & Maintenance» zusammengeführt. Da steckt eine mehrjährige Konzeptarbeit dahinter. Daneben wollen wir auch unser Berufsprüfung «Instandhaltungsfachleute» auf dem bestehenden hohen Niveau halten mit rund 200 Absolventen pro Jahr. Das Bildungsengagement von fmpro stellt auch einen wichtigen Beitrag zum Fachkräftemangel dar, welcher ein ganz grosses Thema bleiben wird.
Sehen Sie, dass mit der Digitalisierung neue Arbeitsmöglichkeiten und komplett neue Berufsbilder - auch für Frauen - generiert werden?
Bürgler: Instandhaltung heute und in Zukunft wird sehr viel in Richtung Problemlösung und Analytik gehen. Hier ist vernetztes Denken gefragt. Wir haben die Ära vom Instandhalter, der sinnbildlich fast im Öl gebadet hat, schon längst überwunden. Es gibt keinen Grund dafür, dass Frauen diesen Berufsweg nicht einschlagen. Instandhaltung ist ein extrem breites und spannendes Umfeld.
Auf was freut sich der Verband bei der maintenance Schweiz im November 2021 ganz besonders?
Artho: Da wir primär aus dem Netzwerkaspekt auf dieser Messe sind und weil einige Mitglieder von uns auch auf dieser Messe ausstellen, ist es einfach ein wichtiger Treffpunkt. Man kann sich wieder austauschen zum Thema Instandhaltung von A bis Z. Es ist für uns auch interessant, Instandhalter kennenzulernen, die uns noch nicht kennen und diese von uns zu überzeugen. Die maintenance Schweiz ist für uns insbesondere darum eine sehr gute Plattform, weil sie sehr spezialisiert ist. Es ist ein schlankes Format für alle Teilnehmer, für die Aussteller, für die Besucher. Es ist nicht, wie auf einer Swissbau, wo Tausende Besucher kommen, aber wenig Bezug zur Instandhaltung besteht. Das ist es, was diese Messe für uns und unsere Branche so wertvoll macht. Hier sind die relevanten Angebote oder Themen da. Aber auch die Leute, die kommen, sind relevant und wir haben damit eine sehr effiziente Plattform.
Was ist für Sie beide das Besondere an der maintenance Schweiz und generell an Live-Messen?
Bürgler: Für mich ist auch der Treffpunktaspekt oder das Netzwerken ganz zentral bei der Messe maintenance Schweiz. Auch ist es nicht nur der Ort, um altbekannte Partner wieder zu treffen, sondern auch um neue Kontakte zu knüpfen und sich über neue Technologien zu informieren. Gerade dieser Austausch ist für mich entscheidend. In der Pandemie haben wir alle den persönlichen Austausch vermisst. Diese Messe ist daher eine optimale Gelegenheit für ein «Gespräch am Kaffeeautomaten». Da kann man auch ein bisschen über die Zukunft der Branche philosophieren, über Lösungen nachdenken und einfach unter Kollegen besprechen, was funktioniert und was nicht.
Artho: Betonen möchte ich den generellen Nutzen der Messe mit einer hohen Kontaktdichte in sehr kurzer Zeit. Man trifft Leute spontan, man kann aber auch mit Kunden oder Partnern einen Termin abmachen. Das führt leicht zu 20 Gesprächen an einem Tag und dafür gibt es einfach nicht viele Plattformen, um Geschäfte in dieser Intensität betreiben zu können. Insbesondere wenn man sich etwas vorbereitet auf den Event. Dann ist die Messe für alle Beteiligten ein Erfolg!
Weitere Informationen: www.maintenance-schweiz.ch