Am Freitag, 4. Februar 2022 folgten rund 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer den spannenden Beiträgen der dritten Ausgabe des Future Food Symposiums. Eröffnet wurde der Online-Event von Peter Braun, CEO von Swiss Food Research (SFR) und Präsident des SVIAL gemeinsam mit Marc Lutz, Präsident des SGLWT, eröffnet. Marc Lutz zeigte dabei seine dürftige Kürbisernte des vergangenen Jahres. Zum Glück sei er nicht auf die Ernte aus seinem Garten angewiesen, aber auch die modernsten Produktionsmethoden können nicht alle Verluste aufhalten.
Es gilt diese deshalb weiterzuentwickeln, Umwelt und Klima weniger zu belasten und die Wertschätzung für unsere Lebensmittel wieder zu stärken. Wo stehen wir diesbezüglich in der Schweiz? Bei dieser ersten Umfrage gab die Mehrheit der Teilnehmenden der Entwicklung der Schweizer Agro-Food-Branche punkto Nachhaltigkeit eine mittelmässige Bewertung ab. Es ist noch einiges an Potenzial vorhanden. Ideen und Ansätze sollen im Verlaufe dieser Tagung aufgezeigt und diskutiert werden. Mit diesen Worten übergab Peter Braun an Karine Siegwart vom Bundesamt für Umwelt.
Rahmenbedingungen für eine ressourcenschonende Ernährungswirtschaft in der Schweiz
In den vergangenen Jahren seien viele Bemühungen unternommen worden, den ökologischen Fussabdruck der Schweizer Bevölkerung zu senken. Er sei aber leider noch immer viel zu hoch und unser Ernährungssystem hat daran einen relevanten Anteil. Wir benötigen deshalb eine standortangepasste Landwirtschaft, die mit den richtigen Anreizen gefördert wird. Die Ernährung soll ressourcenschonend und gesund sein, wobei die Orientierung an der Lebensmittelpyramide helfen kann. Als besonders wichtig erachtete Karine Siegwart, dass die gesamte Lieferkette im Auge behalten wird. Es sei zu simpel, die Verantwortung einfach an Produzenten oder Konsumenten zu übergeben. Nach Frau Siegwart kamen Sofia Barth und Jelena Filipovic von der jungen Bewegung Landwirtschaft mit Zukunft zu Wort. Sie forderten eine ganzheitliche Transformation hin zu einem ökologischen, sozialen und nachhaltigen Landwirtschafts- und Ernährungssystem. Ihre Jugendbewegung ist entstanden, weil sie der Meinung sind, dass eine Idee, wie das System nachhaltig verändert werden soll, fehle. Sie wollen die Politik in die Verantwortung nehmen und die Bevölkerung in die Gestaltung des Ernährungssystems stärker integrieren. In einem deliberativen Prozess werden sie einen Bürger:innenrat zusammenstellen, der einen umfassenden Bericht zur Ernährungspolitik erarbeiten wird. So sollen politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche nachhaltige Einkaufsentscheide der Konsument:innen erleichtern. Im darauffolgenden Q & A betonte auch Karine Siegwart, dass der Einbezug der Bürger:innen wichtig und die Vernetzung derverschiedenen Akteure des Ernährungssystems zentral sei, um dieses als Ganzes nachhaltiger zu gestalten.
Den Boden brauchen wir, auch bei allen technischen Möglichkeiten, die sich auftun
Es folgten zwei Referate, welche Einblicke in die Forschung und Praxis rund um den Boden gaben. Andreas Fliessbach teilte seine Expertise aus 30 Jahren Arbeit am Forschungsinstitut für biologische Landwirtschaft (FiBL). Vor allem der Ackerboden und die Spezialkulturen machen dem Bodenkundler sorgen. Der Abbau und Verlust des Humusgehalts verringern die Fruchtbarkeit des Bodens. Durch seinen Aufbau könnte zusätzlich CO2 gespeichert werden. Aber für die Bewertung der Qualität des Bodens sind noch viele weitere Indikatoren nötig. Die Landwirt:innen stehen aber in einem Spannungsfeld teils widersprüchlicher Erwartungen, was sich auch negativ auf die Umwelt auswirkt. Anschliessend kam Benedikt Bösel von Gut&Bösel an die Reihe. Auf den sandigen und degradierten Böden Brandenburgs erforschen und entwickeln sie verschiedene Formen der Produktion, um zu verstehen, wie grossflächige Landwirtschaft nachhaltig transformiert werden kann. Ihre Vision Beyond Farming betrachtet die Landnutzung als Ganzes und möchte wieder mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft gewinnen. Um Technologie richtig einzusetzen zu können, muss zuerst ein gesundes Ökosystem erschaffen werden. In seinem enthusiastischen Referat stellte er die Frage in den Raum, welcher Unternehmer der kommenden Generation ein Unternehmen übergeben würde, dem die Basis der Produktion entzogen wurde. Genau das würden wir aber in der Landwirtschaft machen, wenn wir die Böden auslaugen, anstatt sie zu pflegen. Dies soll aber nicht einzig als Kritik an die Landwirt:innen verstanden werden. Die meisten von ihnen haben stets gemacht, was von ihnen verlangt wurde. Und das war primär viele und günstige Produkte herzustellen. Das dieses System längerfristig nicht funktioniert, sollte heute allen klar sein.
Side Streams als Chance für die Lebensmittelindustrie
Nach der Mittagpause übernahm Nicole Karmann, Vorstandsmitglied des SVIAL, die Moderation. Den Einstieg in den Nachmittag machte Pirmin Aregger von der Micarna Gruppe, die als Fleischproduzentin seit längerem auch immer mehr Fleischersatzprodukte herstellt. Bei der Fleischproduktion fallen vor allem sogenannte Präferenzverluste ins Gewicht. Diese Verluste kommen zu Stande, weil die Schweizer Konsument:innen ziemlich wählerisch sind und deshalb gewisse tierische Bestandteile nicht nachfragen. Diese können zum Teil aber als Delikatessen in andere Weltregionen verkauft werden. Ein anderer beachtlicher Anteil wird primär als Pet Food verwertet. Dies sei ein lukratives Geschäft, was den Anreiz, solche Nebenströme für die menschliche Ernährung zu verarbeiten, senkt. Auf die Frage, ob eine verlustfreie Lebensmittelverarbeitung Träumerei ist oder unsere Zukunft wird, ging Nadina Müller von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften in ihrem Referat ein. Von den 9750 kcal, welche beim Anbau von Nahrungsmitteln pro Person entstehen, kommen am Ende nur noch 2530 kcal in unseren Mägen an. Auf dem Weg dahin fallen die grössten Verluste bei der Verarbeitung und dem Konsum an. Bei der Verarbeitung in der Lebensmittelindustrie entstehen Nebenprodukte unterschiedlicher Art und Qualität. Dies macht deren Nutzung technisch, aber auch wirtschaftlich anspruchsvoll. Es fehlen vor allem grundsätzliche Verarbeitungsrichtlinien für die Hersteller, rentable Technologien, weitere Lösungen im Umgang mit Kontaminanten sowie öffentlich zugängliches Know-How zu den Verarbeitungsschritten und Prozessen.
Alles bleibt drin?! Oder wie wir die Schadstoffe wieder herausbekommen
Céline Clément von der Agroscope gab uns einen Einblick in die Aufgaben der amtlichen Futtermittelkontrolle und die gesetzlichen Vorschriften zu unerwünschten Stoffen in Futtermitteln und Höchstwerten von Pestizidrückständen. Es gelten die gleichen Höchstwerte wie bei Lebensmitteln, da sie aus der Lebensmittelverordnung stammen. Sie basieren auf EU-Regulierungen. Jährlich entsprechen im Durchschnitt knapp 1/3 der untersuchten Futtermittel nicht den gesetzlichen Anforderungen, wobei die Nicht- Konformitäten hauptsächlich Gehaltsanalysen betreffen und somit ein kleines Risiko darstellen. Die Auswertung von gewissen unerwünschten Stoffen sei nicht immer eindeutig zu beurteilen und liege manchmal sogar in einer grauen Zone. Zum Abschluss zeigte uns Andrew Meharg am Beispiel von Arsenbelastung bei Reis, wie mit Schadstoffen kontaminierte Nahrungsressourcen von diesen befreit und so für die menschliche Ernährung unbedenklich gemacht werden können. Beim Reis liegt der grösste Anteil der Nährstoffe in der Kleie direkt unter der Schale und nicht im Korn. Aber dort können sich auch unterschiedliche Schadstoffe wie Arsen anreichern. Da anorganisches Arsen wasserlöslich ist, kann es durch die Behandlung des Reis mit warmem Wasser herausgelöst werden. Seine Versuche haben ausserdem gezeigt, dass mit diesem Verfahren Nährstoffe nicht mit ausgewaschen werden. Ob dies auch für Vitamine, welche in der Kleie enthalten sind, gilt, muss noch untersucht werden. Solche Erkenntnisse und Verfahren machen Hoffnung, aber die Prozesse müssen noch wirtschaftlicher werden, damit sie in der Industrie breit eigesetzt werden.
Geschlossen wurde der Tag wieder von Marc Lutz und Peter Braun. Marc Lutz hielt fest, dass es nicht eine grosse Entdeckung geben wird, die unsere Probleme löst, sondern es vielseitige Ansätze und eine gesamtheitliche Betrachtung braucht. Peter Braun schlussfolgerte, dass der Tag einmal mehr gezeigt hat, dass die Sache komplex ist, noch viel Potenzial da ist und deshalb die Zusammenarbeit aller Akteure entlang der ganzen Wertschöpfungskette essenziell ist. Die Organisationen schaffen Rahmenbedingungen, aber es braucht die Menschen, die es umsetzen. Veränderung sei am Ende nichts anderes als leben ausserhalb der Komfortzone.