Das von der Schweiz finanzierte schweizerisch- ukrainische Programm «Higher Value Added Trade from the Organic and Dairy Sector in Ukraine» (QFTP) spielt eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Kapazitäten ukrainischer Bio-Produzenten. Das Programm wird vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL, Schweiz), das seit 2004 in der Ukraine tätig ist, in Zusammenarbeit mit der Safoso AG (Schweiz) umgesetzt. Gemeinsam unterstützen sie Bio-Produzenten dabei, ihr Export- und Binnenmarktpotenzial auszubauen.
Eine gut vernetzte Kooperation besteht zudem mit der ukrainischen Landesvertretung des Schweizer Importförderungsprogramm (SIPPO), einem Mandat des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO).
Frozen Berries weisen den Weg
Die ukrainische Biobranche bietet heute ein vielfältiges Sortiment für den Heimund Exportmarkt. Der erfolgreiche Export von Frozen Berries in Bioqualität erweist sich dabei als richtungsweisende Erfolgsgeschichte, wie Tobias Eisenring, Programmdirektor von QFTP (FiBL, Schweiz), bestätigt: «Durch die Unterstützung der Kapazitäten ukrainischer Bio-Betriebe, darunter auch Beerenproduzenten, hilft QFTP ihnen, ihre Beziehungen zu internationalen Abnehmern zu stärken, und trägt zur langfristigen Widerstandsfähigkeit und Reputation des ukrainischen Agrar- und Lebensmittelsektors bei. Im Jahr 2024 gehörten tiefgekühlte Bio-Heidelbeeren aus der Ukraine mit einer Gesamtmenge von 11 800 Tonnen und einem Wert von 17,8 Millionen US-Dollar zu den fünf wichtigsten Exportprodukten in die EU, während die Exporte von tiefgekühlten Bio-Heidelbeeren in die Schweiz laut Angaben der Zertifizierungsstelle Organic Standard 60,48 Tonnen erreichten, was einem Wert von 147 258 USDollar entspricht. Darüber hinaus gehörte die Ukraine im Jahr 2024 zu den acht Ländern mit dem höchsten Exportvolumen an Bio-Obst und -Nüssen in die EU mit insgesamt 22 517 Tonnen, wie aus dem Analysebericht ‹EU Imports of Organic Agri-Food Products Analytical Brief› hervorgeht, der die wachsende Anerkennung ukrainischer Bio-Produkte auf den internationalen Märkten unterstreicht.»
Globales Know-how und Vernetzung
Die Schweiz und die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) haben sich zusammengeschlossen, um die Wiederbelebung des Beerensektors in der Ukraine durch das Global Quality and Standards Programme (GQSP Ukraine) zu unterstützen. Das Programm spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung der wirtschaftlichen Erholung und des nachhaltigen Wachstums der Ukraine, indem es die nationale Qualitätsinfrastruktur stärkt, die Fähigkeit von KMU verbessert, internationale Standards zu erfüllen, und ihre Integration in den regionalen und globalen Handel ermöglicht. Dorina Nati, Projektmanagerin der UNIDO GQSP Ukraine, betonte: «Durch die Angleichung an internationale Standards und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit können ukrainische Produzenten neue Märkte erschliessen, Investitionen anziehen und die Wirtschaft des Landes ankurbeln. Qualitätsprodukte und die Teilnahme am Handel fördern den Aufschwung, das Wachstum und das wiedergewonnene Vertrauen in die Fähigkeit der Ukraine, im globalen Wettbewerb zu bestehen.»
Wahre Wettbewerbsfähigkeit bedeutet Verantwortung, Fairness und Respekt!
Iryna Kukhtina gibt als Präsidentin der «Ukrainian Berries Association» Einblick in die positive Entwicklung – trotz grosser Herausforderungen.
Welche Aufgaben nimmt Ihre Organisation schwerpunktmässig wahr?
Iryna Kukhtina – Für europäische Käufer bleibt der ukrainische Beerenmarkt in Bezug auf die Preiswettbewerbsfähigkeit äusserst attraktiv. Für Unternehmen, die gerade erst damit beginnen, Beschaffungsmöglichkeiten in der Ukraine zu erkunden, ist es jedoch wichtig, ihre Lieferanten gut zu kennen. Wir können ausländischen Partnern dabei helfen, sich zurechtzufinden. Wir bieten verifizierte Informationen über ukrainische Produzenten und ihre technologischen Kapazitäten. Wir können bei Bedarf unabhängige Qualitätskontrollen von Produktchargen vor dem Versand organisieren, um sicherzustellen, dass die Erwartungen der Käufer erfüllt werden.
Welche Eckpunkte zeigen sich punkto Marktentwicklung?
Strategisch konzentrieren sich ukrainische Produzenten darauf, den Endverbraucher statt Zwischenhändler zu erreichen. Die wichtigsten Exportziele sind westeuropäische Märkte – insbesondere Deutschland, Frankreich und Österreich, während der Anteil Polens an den Beeren- Exporten der Ukraine stetig zurückgegangen ist. Dies spiegelt eine allmähliche Verlagerung von der Lieferung von Rohstoffen in grossen Mengen hin zu höherer Wertschöpfung und stärkerer Verbraucherorientierung wider.
Historisch gesehen bestand der Kern des ukrainischen Exports aus gefrorenen Wild- und Kulturbeeren als Zutat für die Industrie. Jetzt läuft die Expansion im Segment der verpackten Beeren im Segment HoReCa und Einzelhandel. Viele Verarbeiter sind in der Lage, nach Private- Label-Anforderungen zu liefern. Die erfolgreiche BRC-Zertifizierung weist sie dabei als zuverlässige Partner für europäische Käufer aus.
Welches sind die grössten Herausforderungen?
Das drängendste globale Problem bleibt der Klimawandel, der sich direkt auf die Produktion von Kultur- und Wildbeeren auswirkt. 20 bis 30 Prozent der ukrainischen Beerenausfuhren stammen aus wilden Erntegebieten. Deren Verfügbarkeit
nimmt stetig ab, da natürliche Ökosysteme zunehmend anfällig für extreme Wetterereignisse werden. So kam es in diesem Jahr beispielsweise zu drei separaten Spätfrösten im Frühjahr, die zu einer aussergewöhnlich geringen Wildheidelbeerernte
führten.
… und die Auswirkungen des anhaltenden russischen Angriffskriegs?
Wir bitten unsere europäischen Partner, sich daran zu erinnern, unter welchen Bedingungen ukrainische Hersteller heute arbeiten. Faire Zusammenarbeit und gegenseitiger Respekt sind der Schlüssel zur Aufrechterhaltung der Geschäftspartnerschaften trotz ausserordentlich schwierigen Zeiten.
Wahre Wettbewerbsfähigkeit basiert heute nicht auf dem Preis, sondern auf Verantwortung. Genau hier beweisen die ukrainischen Produzenten ihre Stärke und Widerstandsfähigkeit. Wir arbeiten mit Notstromsystemen, Mangel an qualifizierten Arbeitskräften infolge Migration und Mobilisierung. Dazu kommen logistische Unterbrüche und ein starker Anstieg der Energie-, Produktions- und Logistikkosten. Die Investitionen konzentrieren sich derzeit auf die Optimierung von Qualität, Lebensmittelsicherheit und technologische Modernisierung, nicht nur auf die Steigerung der Produktion, sondern mit Blick auf höherwertige Marktsegmente.
Ein grosses Problem waren lange die regulatorischen Hürden …
Die ukrainischen Exporteure haben sich vollständig an die Rechtsvorschriften und regulatorischen Rahmenbedingungen der EU angepasst. Tatsächlich sind die Kundenspezifikationen in vielen Fällen sogar strenger als die formalen Rechtsvorschriften, insbesondere in Bezug auf Lebensmittelsicherheit, Rückverfolgbarkeit und Pestizidkontrolle. Die Entwicklung vorhersehbarer, transparenter und effizienter Mechanismen für die Grenzabfertigungen würde allen Beteiligten messbare Vorteile bringen.
Die grössten Schwierigkeiten ergeben sich jedoch aus nichttarifären Handelshemmnissen an der polnisch-ukrainischen Grenze. Oft entstehen «künstliche» Verzögerungen, von Grenzblockaden bis hin zu obligatorischen Stichprobenkontrollen jeder LKW-Ladung.
Wie etablieren wir solidarische und sichere Wertschöpfungspartnerschaften?
Für die Zukunft des Sektors ist vor allem der gemeinsame Ruf der Ukraine als Produzent von Beerenfrüchten höchster Qualität von Bedeutung. Ukrainische Unternehmen benötigen dringend technologische und finanzielle Unterstützung. Die Branche verfügt über eine starke Produktionsbasis und kann mittelfristig wettbewerbsfähige Preise anbieten, aber um ihr volles Potenzial auszuschöpfen, sind gemeinsame B2B-Projekte mit europäischen Partnern unerlässlich. Eine solche Zusammenarbeit sollte über den Handel hinausgehen und gemeinsame Investitionen in Fachwissen, Produktentwicklung und moderne Verarbeitungsanlagen umfassen. Spezifische Kundenaufträge könnten sich als wirksames Einstiegsmodell für die Kooperation europäischer Marken mit ukrainischen Verarbeitungsbetrieben erweisen. Wichtig sind zudem verlässliche Versicherungslösungen, um die von ukrainischen Partnern wahrgenommenen Risiken erheblich zu verringern und die Stabilität der Handelsströme zu erhöhen.
Welche Kooperationen sind darüber hinaus notwendig?
Die Ukraine ist derzeit mit einem gravierenden Mangel an Technologen, Ingenieuren und F&E-Spezialisten konfrontiert. Partnerschaften, die finanzielle Beteiligung mit technologischer Beratung und gemeinsamer Produktentwicklung verbinden, bergen ein immenses Potenzial für gegenseitigen Nutzen. Im Wesentlichen basieren die stärksten B2B-Partnerschaften auf gemeinsamem Fachwissen, realistischen Erwartungen und einer langfristigen Wachstumsvision, die für beide Seiten einen Mehrwert schafft. Eine solche Zusammenarbeit sollte nicht nur die Geschäftskontinuität gewährleisten, sondern auch die Entwicklung fördern – indem sie Unternehmen auf beiden Seiten, in der Ukraine und in dem sich schnell verändernden Markt, stärken.
Diese Art der Partnerschaft steckt derzeit noch in den Kinderschuhen, zeigt jedoch die Richtung auf – hin zu einer tieferen, intelligenteren und wirklich nachhaltigen Zusammenarbeit in ganz Europa.
Vielen Dank für diesen guten Austausch – und auf gute Kooperationen!