Lebensmittel-Industrie: Wie und mit welchen Zielen ist euer Unternehmen entstanden?
Anik Thaler – Fabas wurde 2021 gegründet. Damals kamen viele pflanzliche Produkte auf den Markt. Diese haben uns zwar vom Konzept her sehr angesprochen. Beinahe alle wurden jedoch ohne Schweizer Eiweisspflanzen hergestellt. Dies hat uns gestört. Für eine echte Transformation müssen auch die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte diese neuen Produkte produzieren können.
Eines unserer Lieblingsprodukte war schon damals Hummus. Wir haben daher kurzerhand eine Schweizer Version entwickelt – mit Schweizer Kichererbsen, mit Sonnenblumenkernen statt Tahini und weiteren Zutaten aus 100 Prozent Schweizer Herkunft. Die Hülsenfrüchte haben wir direkt von unseren Landwirtinnen und Landwirten bezogen. Danach haben wir weitere Produkte wie pflanzliche Burger und Falafel lanciert. Schlussendlich waren unsere Artikel in rund 300 Läden schweizweit verfügbar.
Schnell haben wir aber gemerkt, dass es nicht nur darum geht, neue Produkte auf den Markt zu bringen, sondern diese auch qualitativ zu verbessern. Die Rohstoffe, welche für pflanzliche Produkte zum Einsatz kommen, sind aus dieser Sicht oft noch unzufriedenstellend.
Zudem gab es kein Unternehmen in der Schweiz, welches Hülsenfrüchte für die weitere Verarbeitung aufarbeitete. So haben wir uns dieser Thematik angenommen, ein Forschungsprojekt mit einer Hochschule gestartet. Jetzt sind wir gerade daran, die Resultate daraus auf den Markt zu bringen.
Wie organisiert ihr euch im Team und in der Geschäftsleitung?
Wir sind ein kleines Team mit aktuell acht Personen. Jede Person hat ihren eigenen Bereich und trägt Verantwortung dafür. Unsere Werte sind entsprechend «einfach mache», sinnbildlich für unseren hohen Innovationsgrad und «love the unknown», da wir uns oft an der Grenze zwischen bereits Bekanntem und komplett Neuem befinden. Die Geschäftsleitung wird durch meine Mitgründerin Katharina Pälchen und mich formell gestellt.
Wo steht ihr heute – organisatorisch und mit Blick auf eure Zielsetzungen?
Momentan sind wir gerade an der Aufskalierung und Markteinführung unseres ersten Produktes für Verarbeitungsbetriebe – dem Faba Pre-Mix. Dieser kann in der Produktion von pflanzlichen Produkten genau gleich wie Kuhmilch eingesetzt werden. Im Vergleich zu anderen Rohstoffen können damit Produkte mit hohem Proteingehalt, kurzer Zutatenliste und aus lokalem Anbau produziert werden.
Ihr arbeitet oft in Kooperationen und Netzwerken…
Wir haben früh in unserer Start-up-Geschichte gelernt, dass wir nicht alles selber aufbauen können und müssen. Deswegen haben wir uns mit verschiedenen Partnern entlang der Wertschöpfungskette zusammengeschlossen. Mit der Kooperation mit der IP Suisse können wir die lokale Produktion von Eiweisspflanzen sicherstellen. Die Kooperation mit der Groupe Minoteries SA stellt die weitere Verarbeitung der Hülsenfrüchte und Verfügbarkeit sicher. Für die Aufskalierung haben wir zudem einen lokalen Verarbeitungsbetrieb als Partner gewinnen können.
Wir haben auch verschiedene Partner aus der Forschung. Die HES-SO Sion unterstützt uns bei der Prozessentwicklung. Mit der Agroscope und ETH arbeiten wir am Zusammenspiel von Sortenwahl und technologischer Eignung.
Angewandte Forschung, Förderprogramme, Finanzierung – was hat euch beim Aufbau geholfen?
Alle Aspekte waren sehr wichtig für uns. Die Forschung hilft uns, bestimmte Bereiche besser zu verstehen und ermöglicht Zugang zu Infrastruktur. Über Fördermittel wie die von Innosuisse konnten wir dieses Zusammenarbeiten überhaupt finanzieren. Zusätzlich haben wir von verschiedener Seite Unterstützung erhalten – so von Stiftungen und Förderprogrammen, beispielsweise der Klimastiftung Schweiz, «KlimUp» der Stadt Zürich oder zuletzt einem Startup-Innovationsprojekt von Innosuisse.
Um unser Wachstum zu beschleunigen, haben wir zudem eine Gruppe aus privaten und institutionellen Investoren an unserer Seite, welche uns auf unserem Weg unterstützen. Bis anhin konnten wir so bereits eine Finanzierung von 4,2 Mio. CHF von Stiftungen, öffentlichen Institutionen und privaten Investoren sicherstellen.
Schweizer Ackerbaukulturen haben einen weniger hohen Status als Milch und Fleisch – was muss sich ändern?
Gewisse Kulturen wie Weizen, Ölsaaten oder Zucker erhalten bereits eine grosse Unterstützung. Deswegen können diese Kulturen in der Schweiz angebaut werden. Die Selbstversorgung ist hier grösstenteils genauso sichergestellt wie bei Fleisch und Milch.
Bei Hülsenfrüchten ist dies leider nicht der Fall. Daher wird ein Grossteil des Schweizer Konsums importiert. Grund dafür ist die im Gegensatz zu den oben erwähnten Kulturen fehlende Preisparität mit dem Ausland.
Zudem sind sich Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten Hülsenfrüchte als Grundnahrungsmittel nicht mehr gewohnt, da diese nach dem Zweiten Weltkrieg von tierischen Proteinen verdrängt wurden. Dabei wären lokale Hülsenfrüchte eine wunderbare saisonunabhängige und einfach verfügbare Proteinquelle!
Dieses Thema vorwärtszubringen ist in der DNA von Fabas. Wir merkten aber schon früh, dass wir hier auf Kooperationen setzen müssen. Deswegen haben wir zusammen mit anderen Unternehmen und Organisationen letzten Herbst den Verein Schweizer Hülsenfrüchte gegründet. Dieser hat zum Ziel, den Anbau und Konsum von Schweizer Hülsenfrüchten zu fördern. Mittlerweile zählen wir rund 40 Mitglieder, unter anderem Fenaco, IP Suisse, den Getreideproduzentenverband, Bio Suisse, Angst AG, das Start-up «Das Pure» sowie viele weitere. Eine vollständige Übersicht zu unseren Kooperationen findet sich auf unserer Homepage.
In welchem Verhältnis steht dieser Verein zur Swiss Protein Association – gemeinsame Ziele, Arbeitsteilung?
Wir haben keine direkte Verbindung, sind aber konstant im Austausch. Die Swiss Protein Association setzt sich für jegliche alternativen Proteinquellen unabhängig von der Herkunft ein und ist ein Verband der Verarbeiter. Der Verein Schweizer Hülsenfrüchte setzt sich für Schweizer Hülsenfrüchte ein und hat Mitglieder entlang der gesamten Wertschöpfungskette, wir sehen uns als Branchenverband der Hülsenfrüchte.
Welche Bedeutung hat für euch Swissness – oder zumindest die europäische Beschaffung aus Anbauprogrammen wie «Donau Soja»?
Ernährung hat nicht nur die Versorgung mit Kalorien zum Ziel, sondern auch einen Aspekt von Verbundenheit und Tradition. Viele Menschen möchten wissen, wo und wie ihr Essen produziert wird. Dafür ist eine lokale Produktion nötig, wo ich nach Feierabend am Erbsenfeld vorbeifahren kann. Diese Verbindung fehlt bei pflanzlichen Produkten oft noch, sie scheinen häufig abstrakt und fremd. Aus unserer Sicht ist deshalb die Akzeptanz tief. Wir sind deswegen überzeugt, dass eine lokale Produktion absolut nötig ist – gerade auch da diese agronomisch sehr gut umsetzbar ist. Hülsenfrüchte binden Stickstoff im Boden, düngen sich sozusagen selber und haben zudem einen hohen Wert für die Biodiversität. Solche Pflanzen brauchen wir auf unseren Feldern dringend mehr!
Die Versorgung aus der Schweiz ist mittelfristig machbar. Es werden ja bereits tausende Tonnen Erbsen und Ackerbohnen für die Tierernährung angebaut. Zudem besteht momentan eine Warteliste für interessierte Bauern. Die Flächen und Anbaubereitschaft sind also vorhanden, nun fehlen nur noch die passenden Rahmenbedingungen. Ohne entsprechende Rahmenbedingungen ist die Produktion in der Schweiz aber sehr schwierig, deswegen hoffen wir da auf die Vernunft der Politik im Zuge der Ernährungsstrategie.
Was sind derzeit eure grössten Challenges?
Momentan sind wir gerade mit der Aufskalierung der Produktion beschäftigt. Die gleiche Qualität wie im Labor in 2-Liter-Batches und auf industriellen Anlagen bei 900 Litern hinzubekommen, war eine grosse Herausforderung. Im Juni 2025 haben wir unseren Scale-up erfolgreich abgeschlossen und arbeiten mit mehreren Partnern aus der Milchverarbeitung zusammen, um unser erstes Produkt auf den Markt zu bringen. Da wir unsere Produktionskapazitäten weiter ausbauen, sind wir insbesondere auf der Suche nach weiteren Kooperationen mit Molkereien, die ihr pflanzliches Portfolio auf- und/oder ausbauen wollen.
Welche neuen Technologien braucht es für die Verarbeitung eurer Rohstoffe/Produkte?
Wir arbeiten mit Betrieben jeglicher Grösse zusammen, von lokalen Molkereien bis zu grösseren Industriebetrieben.
Für die Herstellung unserer Pre-Mixes verwenden wir Anlagen, welche bereits aus der Milch- und Saftproduktion bekannt sind. Dies erlaubt uns, mit Partnern zu arbeiten und nicht in eigene Infrastruktur investieren zu müssen. Unsere Innovation liegt im Prozess und in der Auswahl der richtigen Komponenten. Der grosse Vorteil für Milchverarbeiter ist dabei, dass sie unseren Pre-Mix direkt wie Kuhmilch einsetzen können. Dieser ist ebenfalls flüssig und hat eine sehr ähnliche Zusammensetzung auf Makronährstoffebene. Da wir die Proteine nur sehr schonend bearbeiten, sind diese noch funktional und können durch Fermentation zum Beispiel zu cremigen Joghurts oder feinen Glacés verarbeitet werden.
Fachkräfte – was heisst dies für euch – Berufsleute, FH/ETH – und/oder Quereinsteigende?
Momentan haben die meisten in unserem Team einen akademischen Hintergrund. Für uns stehen aber die richtigen Werte im Zentrum. Kommt dazu noch Freude am Thema und etwas Erfahrung hinzu, spielt die Ausbildung eine sekundäre Rolle. Momentan haben wir gerade eine Stelle im Entwicklungsteam offen und freuen uns über Bewerbungen!
Hier sind wir zum Beispiel auch offen für Berufsleute wie Milchtechnologen mit Interesse an pflanzlichen Produkten.
Wo steht ihr in 5 Jahren – und die Branche?
Mit Fabas möchten wir uns als Leader im Bereich hochfunktionaler, lokaler pflanzlicher Proteine positionieren. Dazu wollen wir uns nicht nur in der Schweiz etablieren, sondern auch über die Landesgrenzen hinaus aktiv sein.
Die Branche hat bis dahin hoffentlich das Potenzial von Schweizer Hülsenfrüchten verstanden und die entsprechenden Rahmenbedingungen zur Erreichung der Preisparität geschaffen. Hülsenfrüchte werden nicht mehr als Konkurrenz zu Fleisch und Milch wahrgenommen, sondern als vollwertige und leckere Alternative verstanden.