Im Dezember 1869 wird das «Bundesgesetz betreffend Erweiterung der Forstschule des eidgenössischen Polytechnikums zu einer land- und forstwirtschaftlichen Schule» beschlossen, woraufhin zwei Jahre später, 1871, die Abteilung Landwirtschaft an der ETH gegründet wurde. Fünf Studierende nahmen in diesem Jahr das Studium der Landwirtschaftswissenschaften auf. Die Absolventen konnten den Titel «Dipl. Ingenieur-Agronom mit Ausbildung in agrotechnologischer Richtung» erwerben. Weil der Titel etwas lang war, nannten sich die Absolventen umgangssprachlich nur «Agrotechnologen».
Ziel: lebensmittelorientierte Ausbildung
Eine lebensmittelorientierte Ausbildung für den Lebensmittelsektor war noch nicht vorhanden. Auf Antrag von Vertretern der Brauerei- und Obstsaftindustrie entschied sich die ETH 1946, an der Abteilung für Landwirtschaft neben der milchtechnologischen Ausbildung eine zweite Spezialisierung in Richtung «Gärungsgewerbe, Obstverarbeitung und weitere Verarbeitungszweige» einzurichten.
Schon bald zeigte sich bei den jungen Absolventen der ersten Jahre das Bedürfnis, den Kontakt unter Berufskollegen auch nach dem Weggang von der ETH zu Absolventen der ersten Jahre das Bedürfnis, den Kontakt unter Berufskollegen auch nach dem Weggang von der ETH zu pflegen und sich vor allem auch für die weitere Entwicklung des neuen Studiengangs einzusetzen. Deshalb kam der Gedanke zur Gründung einer entsprechenden Vereinigung auf, und zwar ausserhalb des damals bereits existierenden Schweizerischen Verbands der Ingenieur-Agronomen, der primär auf die Bedürfnisse der Absolventen des allgemeinen Agronomie- Studiums ausgerichtet war.
1952 – Eigenständige Agrotechnologievereinigung
So beschloss 1952 eine Gruppe von Agrotechnologen rund um den Hauptinitiant Dr. Arno Stöckli, damals Forschungsmitarbeiter an der Versuchsstation der Schweizerischen Brauereien in Zürich, die Gründung einer eigenen Fachorganisation. Die Initiativ-Gruppe traf sich am Samstag, 29. März 1952 im Bahnhofbuffet Zürich zur Gründung der «Agrotechnologievereinigung».
Dr. Martin Clausen wurde als erster Präsident der neuen Vereinigung gewählt. Die Gründungsmitglieder der ersten Stunde waren neben Arno Stöckli, Walter Büchi, Martin Clausen, Thomas Conrad, Armin Fiechter, Max Flüge, Peter Gfeller, Friedrich Glarner, Robert Hochstrasser, Hans Huber, Albert Kern, Theo Neumeyer, Kurt Straumann, Peter Weiersmüller, Fred Zobrist und Rolf Zobrist. Der Vorstand setzte sich aus Präsident, Vizepräsident, Kassier und Aktuar zusammen, gab es einmal mehr zu tun, wurden Mitglieder ausserhalb des Vorstandes temporär für diese Aufgabe delegiert.
Einfluss auf die lebensmittelorientierte Ausbildung
Neben den Treffen zur Generalversammlung, jeweils kombiniert mit einer Betriebsbesichtigung, der Zirkulation des Mitteilungsblattes und eines gelegentlichen Stammes in Zürich, engagierte sich die Agrotechnologievereinigung besonders aktiv in der Entwicklung des Studienplanes an der ETH. Es ging darum, die lebensmittelorientierte Ausbildung auszudehnen und zu vertiefen. Dass das nach Ansicht der Agrotechnologen nicht ohne weitere Abstriche am allgemeinen Agrotechnologiestudium ging, war klar und führte oft zu intensiven Diskussionen und Briefwechseln zwischen den Vereinigungen und Gremien der ETH. 1958 und 1964 wurden die Studienplanänderungen mit jeweils wesentlichen Erweiterungen der lebensmittelwissenschaftlichen Fächer eingeführt.
Agrotechnologievereinigung wird SGLWT
1971 feierte die Abteilung Landwirtschaft an der ETH ihr 100-jähriges Bestehen. In den ersten 100 Jahren waren fast 2000 Studierende ausgebildet worden. Kurz zuvor hatte der schweizerische Schulrat am 17. Dezember 1970 die Ablösung der Spezialrichtung Agrotechnologie und Molkereitechnologie durch die Studienrichtung Lebensmittel-Ingenieur und die Einführung des Titels «dipl. Lebensmittel-Ingenieur» beschlossen. Die Lebensmittelwissenschaften erhielten ihr eigenes Institut.
Gleichzeitig mit dem Jubiläum der Hochschule und der Gründung des Instituts für Lebensmittelwissenschaften erfolgte die Umbenennung der «Agrotechnologievereinigung» in die heutige «Schweizerische Gesellschaft für Lebensmittel- Wissenschaft und -Technologie», kurz SGLWT. Die Mitgliederzahl wuchs in den ersten Jahren nur langsam. 1957 waren es erst 22, 1963 dann 37 Mitglieder. Ein starkes Wachstum der Mitgliederzahlen wurde durch den quantitativen und qualitativen Ausbau der Studiengänge für den Lebensmittelsektor, sowohl auf Ebene ETH wie auch der Fachhochschulen, hervorgerufen. Heute zählt die SGLWT rund 700 Mitglieder.
Vielfältige Branchenvernetzung und Förderung
«Die Gesellschaft fördert die Aus- und Weiterbildung und den Kontakt ihrer Mitglieder, zum Beispiel durch die Veranstaltung von Tagungen, Symposien und Firmenbesuchen», heisst es heute in den Organisations- Statuten. Seit Jahrzehnten bilden die jährlichen Generalversammlungen verbunden mit einem Betriebsbesuch eines Branchenunternehmens jeweils einen Höhepunkt der fachlichen und persönlichen Vernetzung. Regelmässig organisierte die SGLWT Fachtagungen zu aktuellen Themen, oft in Zusammenarbeit mit Fachund Branchenorganisationen der Ernährungswirtschaft – und Forschung. Für den vertieften fachlichen Austausch zu ausgewählten Themen, etwa die Forschung und Praxisanwendungen zur Sensorik, wurden spezifische Interessengruppen geschaffen. Mit Partnervereinigungen wie der «Gesellschaft Deutscher Lebensmitteltechnologen- GDL» und dem «Verein Österreichischer Lebensmittel- und Biotechnologen – VÖLB» pflegt die SGLWT regen Kontakt.
Jährlich ehrt und honoriert die SGLWT die «beste Arbeit» im Bereich Lebensmittelwissenschaften der Ausbildungsstandorte ETH Zürich, BFH-HAFL – Zollikofen, HES-SO Sion und ZHAW Wädenswil. Die jeweiligen GewinnerInnen werden durch die Ausbildungsstandorte ausgewählt und die Preisübergabe erfolgt im passenden fachöffentlichen Rahmen.
Neue Formate für die Zukunft
In den schwierigen Zeiten der Pandemie nutzte der Vorstand den erschwerten und unsicheren Planungshorizont für Fachveranstaltungen dazu, ein neues Onlineformat, die «TechTalks», ins Leben zu rufen. Bereits 2017 hatte sich die SGLWT mit einem neuen Internetauftritt für eine immer digitalere Zukunft gewappnet und sich im Vorstand in einer agilen Struktur organisiert.
Rund ein Jahr nach der Lancierung erweisen sich die kurzen TechTalk-Fachvorträge jeweils an einem Wochentag-Vorabend (17.30 – 18.10 Uhr) als eigentliche Erfolgsgeschichte. 2021 wurden diese zu den Themen «Digitaler Zwilling», «Biomass and precision fermentation in the context of alternative protein production» und «Pulsed Electric Fields» durchgeführt. 2022 fanden bereits Talks zu den Themen «Erbsenisolate & Optimierung des Aromas in der Wertschöpfungskette von Erbsen», «High pressure processing» und «Extrusion» statt. Weitere Talks werden im August, Oktober und Dezember folgen.