Lebensmittel-Industrie Bitte geben Sie uns eine kurze Übersicht zu Ihrem Unternehmen und zu Ihren wichtigsten Produkten/Sortimenten und Dienstleistungen.
Lorenz Hauck – Die Florin AG ist die grösste Herstellerin von Speiseölen, Speisefetten und Margarinen in der Schweiz. Das Leistungsspektrum umfasst alle Produktionsschritte, von der Rohstoffgewinnung über die Pressung in der eigenen Ölmühle bis hin zur Produktion und zum Vertrieb der erstklassigen Endprodukte. Das unabhängige Schweizer Familienunternehmen mit 150 Mitarbeitenden beliefert in dritter Generation die Gastronomie- und Bäckereibranche, den Detailhandel sowie die Pharma-, Chemie- und Nahrungsmittelindustrie.
Welche Zutaten/Rohstoffe können Sie aus der Schweiz beziehen welche nicht?
Wir unterstützen die Schweizer Agrarwirtschaft, indem wir inländische Saat gegenüber importierten Rohölen präferieren. Wir sind Abnehmer von knapp 70 Prozent der in der Schweiz angebauten Raps- und Sonnenblumensaaten. Insgesamt stammen ca. 35 Prozent unserer verarbeiteten Produkte aus Schweizer Rohstoffen. Dazu ergänzend beschaffen wir auch unseren Butterbedarf ausschliesslich in der Schweiz.
Der wichtigste Rohstoff aus der Schweiz ist die klassische Rapssaat ebenso wie Rapssorten für die so genannte HOLL-Qualität (High Oleic Low Linolenic) für hoch erhitzbare Verwendungen.
Je nach Ernteumfang deckt diese etwa zwischen 70 und 80 Prozent unseres Bedarfs an Rapsöl ab. Ebenfalls aus der Schweiz beschaffen wir Sonnenblumensaat, analog zum Raps für verschiedene Anwendungen. Hier decken wir je nach Ernteumfang ca. 20 Prozent unseres Bedarfes ab.
Welche Zutaten/Rohstoffe sind nicht aus der Schweiz beschaffbar?
Ausser Raps- und Sonnenblumenöl beschaffen wir alle unsere Rohstoffe in Form von Rohölen global via Import, namentlich Raps und Sonnenblumen Ergänzungsimporte, Erdnussöl, Distelöl, Traubenkernöl, Olivenöl, Palmöl/Palmstearin, Palmkernöl/Palmkernstearin, Kokosöl und Sheabutter.
Alle importierten Rohstoffe sind vollständig rückverfolgbar. Praktisch sämtliche Rohstoffe beschaffen wir sowohl aus konventionellem Anbau als auch mit Bio-Zertifizierung.
Welche Rolle nimmt die europäische Beschaffung ein?
Aus Europa beschaffen wir in Form von Ergänzungsimporten im wesentlichen Rapssaat sowie rohes Rapsöl und Sonnenblumenöl im Umfang von je nach Schweizer Erntemengen ca. 15–20 Prozent unseres Rohwarenbedarfes. Hier stehen als Provenienzen die EU 27 sowie die Ukraine im Vordergrund.
Gibt es technologische Innovationen, um den Einsatz einheimischer Öle zu optimieren?
Durch die chemischen Modifizierungsprozesse Umesterung und Härtung wird das Fettsäureprofil dahingehend optimiert, dass sich auch unsere inländischen Softoils Raps und Sonnenblumen in der Anwendung als Alternative zu den tropischen Fetten zur Herstellung von Fettblends und Margarinen eignen.
Welche Rolle nehmen Nachhaltigkeitsanforderungen ein?
Die Nachhaltigkeit in allen ihren Dimensionen ist gelebter Teil unserer Unternehmensvision und damit für die Florin AG von strategischer Bedeutung.
Da wir uns mit unserem Produktesegment, ausgenommen die kundenspezifisch entwickelten Fett- und Margarine-Blends, hauptsächlich im Segment der Commodities bewegen, ist eine Differenzierung für uns in Bereichen wie Serviceleistungen,
Lieferperformance, Zertifizierungsangebot und ganz wichtig auch Nachhaltigkeitsanstrengungen zentral. Darum verfolgen wir einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz sowohl direkt im Ursprung als auch auf Unternehmensebene.
Vor Ort arbeiten wir an Projekten zu Themen wie Entwaldung, sozialen Standards und der Integration von Kleinbauern. Dabei reicht unser Engagement von der vollständigen Rückverfolgbarkeit sämtlicher Rohstoffe bis hin zu konkreten Emissionsreduktionsmassnahmen. Wir sind Mitglied im Palmölnetzwerk Schweiz und engagieren uns in diversen Arbeitsgruppen. Gleichzeitig dazu stärken wir unsere Nachhaltigkeitsleistung systematisch - etwa durch unsere Umweltzertifizierung nach ISO 14001, durch unser Commitment zur SBTi oder jüngst unserer Mitgliedschaft bei Agroimpact.
Welche Standards und Labels sind für die Kundschaft von Bedeutung?
Grundsätzlich nimmt die Labelvielfalt, nicht zuletzt verbunden mit immer weiter steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen, zu. Während Labels wie Bio Knospe, Suisse Garantie, IP Suisse und RSPO seit langem etabliert sind, können wir seit einiger Zeit auch nach Rainforest Alliance zertifiziertes Kokosöl und nach ISCC PLUS zertifiziertes Sonnenblumenöl anbieten.
Die Einhaltung der üblichen Standards im Bereich der Lebensmittelsicherheit (FSSC 22000), der Umwelt (ISO 14001) wie auch von Sozialstandards (SMETA) ist eine Grundvoraussetzung und für uns eine Selbstverständlichkeit.
Welche Anforderungen bestehen je nach Kundschaft in Gewerbe/Industrie –Gastronomie – Detailhandel?
In den letzten Jahren sind die qualitativen Anforderungen und Standards der Fette und Öle, getrieben durch die Anwendungen im Bereich der Infant-Formula, für die gesamte verarbeitende Lebensmittelindustrie stark gestiegen. Deshalb investieren wir kontinuierlich in die Optimierung der Produktionsprozesse und in die Inhouse- Analytik zur Überwachung der Rohstoff-, Produkte- und Prozessqualitäten.
In den Bereichen Gewerbe, Gastronomie und Detailhandel kommen zusätzlich die Herausforderungen an die Prozessflexibilität durch eine hohe Produktediversität, gepaart mit den unterschiedlichsten, sehr spezifischen Verpackungsansprüchen, hinzu.
Während wir Kunden aus Industrie und Gewerbe bevorzugt mit grösseren Mengen in Form von Tankzügen lose oder in praktischen Mehrwegcontainern beliefern, erfreuen sich in der Gastronomie insbesondere Biboxen mit 12 oder 20 Litern Inhalt grosser Beliebtheit. Im Detailhandel hingegen dominieren die kleinsten Gebindegrössen – Kunststoff- und Glasflaschen mit einem Fassungsvermögen zwischen 0,5 und 3 Litern.
Die technologischen Anforderungen sind insbesondere im industriellen und gewerblichen Bereich besonders hoch. Unsere Produkte kommen dort in vielfältigen Prozessen und für unterschiedlichste Anwendungen zum Einsatz, was höchste Ansprüche an Qualität, Konsistenz/Textur und Funktionalität stellt.
Speziell im Segment Detailhandel direkt beziehungsweise von unseren für den Detailhandel produzierenden Industriekunden steigt die Nachfrage nach Herkunftsnachweisen wie Suisse Garantie und Nachhaltigkeitsnachweisen wie zum Beispiel IP Suisse und Rainforest Alliance. Hingegen werden die religiösen Zertifizierungen (Halal, Kosher) fast ausschliesslich von unseren Industriekunden nachgefragt, welche ihre Produkte teilweise exportieren.
Die Anforderungen variieren sowohl zwischen den Segmenten als auch unter den einzelnen Kunden. Diese individuellen Kundenbedürfnisse zu erfüllen, ist eine unserer Stärken.
Welche Auswirkungen sind durch die «Bilateralen III» zu erwarten?
Von den durch die Bilateralen III abgedeckten zentralen Inhalten «Forschung und Innovation», «Umweltschutz», «Sicherheit und Verteidigung» sowie «Energie und Infrastruktur» hat der Bereich Umweltschutz im direkten Produkteumfeld für uns die grösste Bedeutung.
Durch die Tatsache, dass viele unserer Kunden seit jeher in die EU exportieren und damit an die Einhaltung der EU-Gesetzgebung gebunden sind, sehen wir uns in der Praxis jedoch seit jeher mit der Einhaltung der EU-Gesetzgebung konfrontiert.
Als Beispiel kann hier die per 30. Dezember 2025 in Kraft tretende und auch für Palmöl und Sojaöl geltende EUDR-Verordnung (European Union Deforestation Regulation) genannt werden.
Die Stabilisierung der bilateralen Beziehung, um für künftige gemeinsame Herausforderungen wie Klimawandel und digitale Transformation gerüstet zu sein, ist sinnvoll.
Was sind die Auswirkungen der US-Zölle allgemein und für Ihr Unternehmen?
Die Speiseöle- und Fetthersteller sind durch die verabschiedeten US-Zölle in Höhe von 39% aufgrund praktisch nichtexistierender Geschäftsbeziehungen mit den USA nicht direkt betroffen. Der direkte Hauptabsatzmarkt ist der Binnenmarkt sowie die EU27.
Mit indirekten Volumenverlusten durch USAExporteure seitens unserer Kunden aus der Lebensmittelindustrie ist jedoch potenziell zu rechnen.