Raffael Jenzer – Die Metzgerei Jenzer ist ein 1898 gegründeter Familienbetrieb bereits in der fünften Generation. Mit rund 80 Mitarbeitenden sind wir heute mit eigenen Verkaufsstellen in Arlesheim, Reinach und Muttenz präsent. Die andere Hälfte des Umsatzes erzielen wir mit der Belieferung der Gastronomie in der Region Basel sowie einem Partyservice und Online-Shop.
In der Region Basel ist «Jenzer» ein Begriff – ist eine Vermarktung darüber hinaus ein Thema?
Wir beliefern Kunden in der Region Basel im Umkreis von 15 km. Unsere VIP-Kunden möchten wir innerhalb von 15 Minuten beliefern können bei einem Notfall, was viele sehr schätzen. Teilweise bekommen wir Bestellungen um 10 Uhr und der Kunde sagt uns, die Pfanne sei «schon warm» für das Mittagessen. Ökologisch ist zudem auch ökonomisch.
Über die Region hinaus liefern wir nur über Handelsplattformen wie die digitale Einkaufsplattform «Schlaraffenland», welche unsere Spezialitäten wie die Pasteten, Terrinen und diverse weitere Feinkostprodukte in die ganze Schweiz liefert.
Welche Bedeutung haben Themen wie Bioqualität, Labels und Tierwohl?
Ein grosses Anliegen ist uns die artgerechte Tierhaltung. Hier leisten wir an vielen Orten auch Pionierarbeit wie etwa bei den jährlich über 2000 Freilandsäuli, bei welchen wir der grösste Verarbeiter in der Schweiz sind.
Bereits 1995 haben wir umgestellt auf Tiere aus besonders artgerechter Tierhaltung. Wir wollen mit Freude natürliches Fleisch verkaufen können. Der Einkauf erfolgt möglichst in der Nordwestschweiz, damit wir die Transportzeiten auf das absolute Minimum reduzieren können. Im Weiteren ist so ein Kontakt direkt zum Bauern möglich. Dank artgerechter Tierhaltung können wir zudem die Fleischqualität verbessern. Im Metzgerhuus werden wir zudem die Verarbeitung von Bio-Tieren anbieten können.
Wo liegt für Sie der Übergang von der handwerklich - gewerblichen zur industriellen Verarbeitung – und wo sehen Sie Ihr Unternehmen positioniert?
Die Grenze ist fliessend, meiner Meinung nach gibt es nicht einen klaren Begriff und beide Seiten haben Vor- und Nachteile. Wir schauen, dass es ein gesunder Mix ist zwischen effizienter Produktion, aber trotzdem einer grossen Produktvielfalt, welche Kunden, aber auch Mitarbeitende schätzen. Dabei darf eine Maschine auch Arbeitsschritte übernehmen wie z. B. Burger stempeln oder aktuell gerade ganz neu «Pasteten deckeln». Wenn man den ganzen Tag nur Saucisson herstellt, wird dies schnell monoton. Die meisten Abteilungen stellen bei uns täglich über 20 verschiedene Produkte her, sodass die Arbeit abwechslungsreich bleibt.
Wichtig ist uns auch die Transparenz. In der Arlesheimer Dorfgasse kann unsere Kundschaft täglich zuschauen, wie die gelernten Fachleute und Lernende die Tiere ausbeinen und ladenfertig zuschneiden. Zusätzlich bietet die Wurstküche- Live- Kamera den Kunden unseres Fachgeschäftes Arlesheim Einblick in die Geheimnisse unserer bekannten Goldwürste.
Wir versuchen, bestes Rohmaterial zu fairen Preisen einzukaufen. Wir lassen das Fleisch wie zu Grossvaters Zeiten 1–2 Wochen offen am Knochen abhängen. So wird das Fleisch aromatischer und zarter und der Schnitt ist viel schöner. Anschliessend reifen wir das Fleisch unter Vakuum während 1–3 Wochen. Damit wir ganze Tiere einkaufen können, ist es wichtig, dass wir alle Stücke verkaufen können. Darum lancieren wir auch immer wieder neue, eigentlich uralte, Rezepturen mit Siedfleisch, Kalbshaxen oder Pulled Burger, um nur einige Optionen zu nennen. Mit diesem Vorgehen verfolgen wir das Ziel, unseren Kunden auch die preiswerten, aber trotzdem sehr guten Fleischstücke schmackhaft anzubieten.
Wo sehen Sie allgemein die Zukunft des Metzgerberufs – finden Sie dafür nach wie vor Fach- und Nachwuchskräfte?
Wir engagieren uns sehr stark für die Nachwuchswerbung und bilden selber derzeit neun Lernende aus als Fleischfachfrau und -mann. Ohne Fachleute können wir den Betrieb langfristig nicht erhalten. Als Handwerksbetrieb können wir eine sinnvolle Arbeit anbieten. Wir vertrauen darauf, dass wir weiterhin junge Personen anziehen, welche dies spannend finden. Aber mit dem politischen Druck Richtung vegetarischer Produkte ist es schwierig geworden, dass die Eltern auch eine Zukunft für ihr Kind sehen, obwohl wir eine klare Zukunft sehen im Lebensmittel Fleisch. Einen wichtigen Einfluss haben auch die Lehrpersonen. Wir versuchen daher, mit viel Transparenz Einblicke zu geben und die Vorurteile zu bekämpfen. Die Entwicklung mit der künstlichen Intelligenz trifft uns zum Glück nicht. Für uns der wichtigste Punkt ist die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden, was in grossen Betrieben oft verloren geht.
Regionalität – zunehmend fehlt die lokale Schlachtung – hier setzen Sie mit der im Bau stehenden «Metzgerhuus Stadt und Land AG» an …
Wir investieren mit fünf Metzgereien und einem Bauern sowie dem Metzgermeisterverband 11 Millionen in die regionale Fleischproduktion. Ziel ist es, Fleisch aus dem Baselbiet in der Region zu verarbeiten, für Kunden in der Region, sprich wir wollen nicht die ganze Schweiz beliefern. Wir sind nun mitten im Bau und werden im Mai 2025 gross eröffnen können! Folgende Geschäftsbereiche werden wir anbieten: Alles von der Schlachtung über die Zerlegung bis hin zum Laden und zu Events in unserem Eventlokal.
Das Metzgerhuus ist eine Kooperation regionaler Metzgereibetriebe – wie funktioniert die Zusammenarbeit im Spannungsfeld gleichzeitiger Konkurrenz?
Wir sind die letzten Betriebe, welche es in der Region gibt, wir helfen einander und ziehen an einem Strick, die Konkurrenz sind die finanzkräftigen Grosshändler. Wir bilden zusammen Lernende aus, beliefern uns gegenseitig mit Produkten und sind sehr offen im Austausch. So ist es sehr toll, dass so viele Betriebe auch im Metzgerhuus dabei sind.
Welche technologischen Innovationen kommen bei der Schlachtung und Verarbeitung und bei Prozessabläufen zum Einsatz?
Wir haben folgendes Konzept: Wir bauen nur Technik ein, wo es den Mitarbeitenden entlastet, und wenn es nur die Techniker belastet, machen wir es nicht. Ziel ist vor allem seitens ERP die ganzen Prozesse sehr effizient laufen zu lassen, damit der Mitarbeitende nicht zu viele Arbeiten händisch machen muss, wenn dies keinen Sinn macht.