Lebensmittel-Industrie: Wie und wann entstand Ihr Unternehmen?
Christina Bachmann-Roth: Gaudis wurde 2015 gegründet. Ich habe dazumal in der Konsumgüterbranche gearbeitet und war verantwortlich für Marken im Bereich Haushalt und Personal care wie Calgon, Finish, Scholl. Nebenberuflich habe ich mich für das Projekt Michelsamt engagiert.
Heute führen wir Gaudis-Frauen – Constanze Laufmann und ich – die Firma Gaudis. Ich hätte nie gedacht, dass es mich mal in die Käsebranche führt – ich habe Betriebswirtschaft studiert und habe in der Chemie und Pharma Karriere gemacht. Unsere Idee war, einen lokalen Kreislauf zu schaffen im Michelsamt, Luzern. Kühe sollen ausschliesslich Gras und einheimisches Futter essen, und die Käsespezialitäten sollen dann unter gemeinsamer Marke verkauft werden. Zusätzlich sollen Produkte aus Beeren, Dinkel und Fleisch entstehen. Ich nahm diese Herausforderung an und gründete mein eigenes Start-up, mit dem Ziel, diese Produkte zu vermarkten. Es war ein Schritt weg von einer internationalen Karriere zu einem Start-up mit viel Risiko, Nachhaltigkeit und Bodenständigkeit. Ich liebe es, Unternehmerin zu sein – da kann ich viel bewegen.
Heute werden wir von mehreren Käsereien beliefert, zertifiziert nach den Anforderungen von IP Suisse, Bio Suisse- und Suisse Garantie. Wir beliefern die Schweiz und das Ausland mit Käse, Konfitüren, Honig, Dinkelprodukten.
Was sind Ihre Hauptaktivitäten, Sortimente und Aktivitäten?
Die Gaudis AG ist Affineur und Handelsplattform für Schweizer Käse-Spezialitäten, insbesondere für den vegetarischen Schweizer Parmesan, den wir ab Salzbad abkaufen und in unserem Reifungslager in Beromünster eigenständig ausreifen.
Wir sind spezialisiert auf diesen Parmesan, unsere Wilde «EmmaGianna». Wir lassen den Käse nach unserem Rezept von der Fromagerie Amstutz produzieren. Die Milch wird frisch verarbeitet, und der Käse bleibt rund 2 Wochen im Salzbad. Wir verkaufen die EmmaGianna-Bröckli in alle Tibits-Filialen der Schweiz, in die Humidore von Coop, an Lidl und viele Fachgeschäfte. Unseren Schweizer Parmesan gibt’s auch schweizweit bei Denner als Reibkäse und in Keilform.
Das Gaudis-Sortiment umfasst zusätzlich Hart- und Halbhartkäse, den Schlauen Zarten und die Kräftig Goldige sowie den reizvollen Rahmkäse. In den letzten drei Jahren haben wir unsere Aktivitäten auch im Export verstärkt und sind nun ebenfalls auf dem deutschen Markt, hauptsächlich im Bio-Bereich, aktiv.
Was unterscheidet Ihr Angebot von traditionellen/ vergleichbaren Unternehmen?
Wir stellen die Frauen in den Vordergrund. Die Käsebranche zeigt oft die schweigenden Männer, den Mann im Schmierkeller oder am Kessi. Tatsächlich gibt es wenig Käsereien oder Handelsbetriebe, die von Frauen geführt werden. Es arbeiten aber sehr viele Frauen in dieser Branche – traditionell einfach im Hintergrund. Wir bringen die Frauen in den Vordergrund und zeigen damit auch, wie zeitgemäss dieser Beruf ist.
Die Gaudis-Frauen sind anders, und das zeigen wir gern: Wir sind fröhlich, chic, mutig, voller Pioniergeist und brechen gerne Klischees. Wir wertschätzen voller Respekt unsere natürlichen Ressourcen und Partnerinnen. Wir sind transparent und haben keine Geheimnisse. Wir haben eine hohe Lieferperformance, sind flexibel, schnell, hartnäckig und haben einen guten Geschmack.
Unsere Produkte überzeugen auch durch eine besondere Aufmachung und natürlich durch eine ressourcenschonende Produktion.
Ihr Marketing-Claim «Für das starke Geschlecht und alle Männer» sorgt für Aufmerksamkeit – wie kam es dazu?
Wir wollen zum Denken anregen. Am Slogan bleibt man hängen – bis man ihn versteht. Wir setzen voll auf die Gaudis-Frauen. Wir sind die Gaudis-Frauen – wir, die wir bei Gaudis arbeiten, aber auch die Frauen unserer Käsereibetriebe, und wir meinen auch die Gaudis-Frauen, die unseren Käse essen – die Konsumentinnen. Wir sprechen die Emotionen an – unser Käse schmeckt fein, er ist nachhaltig – nur hört man da nicht hin, wenn man sich das auf die Fahne schreibt. 2018 haben wir während den Swiss Cheese Awards eine Umfrage gestartet: «Ist Käsen Männersache?» Unser Holzchalet war violett eingepackt – das fiel auf! Das kam so gut an, dass wir in diese Richtung weitergedacht haben und auf diesen Slogan gekommen sind. Unser Ziel ist es, mit einem zwinkernden Auge ein wenig zu provozieren, uns dabei aber auch nicht allzu ernst zu nehmen.
Steht das Statement (auch) für Ihre Unternehmensphilosophie?
In gewisser Weise ja. Bei Gaudis arbeiten viele Frauen. Das hat sich einfach so ergeben. Das heisst aber nicht, dass wir nicht gern mit Männern arbeiten. Wir sind keine Kampfemanzen, sondern lachen gerne über uns selbst.
Wir bieten flexible Arbeitsplätze und setzen stark auf Eigenverantwortung und Teamarbeit. Von Beginn an hat sich Gaudis als eine Art Pionier in der Branche bewegt. Innovative Ideen, Mut, Neues auszuprobieren und auch mal unsichere Pfade zu gehen, ist bei Gaudis verankert. Auch mit der Michelsamt-Idee sind wir damals der Zeit voraus gewesen und haben eine tolle Idee realisiert.
Sie haben sich auch beim Aufbau der regionalen Marke «Michelsamt» engagiert – welche Kooperationen zur Gaudis AG ergeben sich dabei?
Die Gaudis AG hat die Marke Michelsamt aufgebaut und die Produkte der Käserei Neudorf und anderen Verarbeitern mit der Marke Michelsamt vertrieben. Die Idee eines geschlossenen Futterkreislaufs aus der Region ist sehr gut angekommen, und wir haben diesbezüglich sicherlich eine Pionierrolle eingenommen. Geführt wird die Marke heute von der Wertschöpfungsgemeinschaft Michelsamt, welche Aktivitäten in der Region koordiniert. Dieser Verein ist breit abgestützt und wird von den Bauern geführt. Diese Bauern leisten Grossartiges, indem sie silofreie Milch aus lokalem Kreis produzieren.
Welche Werte und Qualitätsmerkmale verbinden sich mit dem Gaudis-Siegel?
Das Gaudis-Siegel steht für hochwertige Spezialitäten, die einem zertifizierten, lokalen Kreislauf entspringen und den direkten Bezug zur Landwirtschaft garantieren. Wir wollen wertschätzend und bedacht mit unseren Ressourcen umgehen und vor allem auch regionale Produzenten unterstützen und stärken.
Wie stehen Sie generell zu Labels und Qualitäts-Siegeln?
Ich finde es wichtig, dass es für die Kunden bestimmte Qualitätsmerkmale anhand von Siegeln oder Labels gibt. Es muss allerdings transparent und für die Konsumenten einfach nachvollziehbar gestaltet sein. Die Kunden sollten schnell verstehen können, was hinter welchen Labels/Siegeln steht. Und natürlich müssen es glaubwürdige Siegel sein.
Darum produzieren wir auch Bio Suisse und IPS. Der Einzelhandel setzt stark auf Eigenmarken und will diese mit einem Label untermauern, beispielsweise Coop Naturaplan, IP Suisse, Mini Region oder Aus der Region. Wir sind der Partner unserer Geschäftskunden und sind bereit, alles zu liefern.
Natürlich unterstütze ich persönlich vor allem das Bio Suisse-Label, welches einfach die höchsten Anforderungen erfüllt. Leider geht das manchmal im grossen Label-Dschungel verloren.
Welche aktuellen Entwicklungs- und Zukunftsprojekte stehen derzeit an – oder mittelfristig?
Wir haben unser Sortiment zu mehr Convenience entwickelt. Mit unserem Käsebrecher bröckeln wir Käsestücke. Diese sehen dann artisanaler aus als wenn die Stücke geschnitten werden. Wir verpacken diese in Beutel oder Becher à 100g. Dies werden wir weiterführen. Vegetarische und vegane Ernährung ist ein Trend, und wir werden auch in diesem Bereich weitere Innovationen anführen. Zusätzlich denke ich daran, auch Käse mit Milch aus muttergebundener Kuhhaltung anzubieten. Das passt doch zu den Gaudis-Frauen!
Ein Blick auf die Milchwirtschafts-Branche allgemein – welche Herausforderungen stehen aus Ihrer Sicht im Vordergrund?
Entwicklung von pflanzlichen Alternativen, die gleich gut schmecken wie Käse (oder Fleisch). Unsere Ernährung muss sich in diese Richtung verändern. Wir konsumieren zu viele tierische Proteine.
Die Käsereien sind gefordert, ein gutes Kostenmanagement zu führen und die Käsepreise entsprechend zu erhöhen. Der Druck von den hohen Milchpreisen ist stark. Zusätzliche Herausforderung für Käsereien: Käsereien, die nicht Sorten verkaufen, werden in Marketing nicht unterstützt – im Gegenteil zu Händlern von Sorten. Alleinstellung durch gutes Marketing erreichen, darin sind viele Käsereien gefordert. Nicht allen liegt das … und der Druck durch das professionelle Marketing vieler Käsereien mit starken Investoren ist gross.
Was noch gesagt werden muss…
Was viele nicht wissen – sogar Vegetarierinnen: Käse ist nicht vegetarisch per se. Die Milch wird eingedickt mit einem tierischen Enzym aus dem Kälbermagen. Gaudis-Käse ist wirklich vegetarisch – dank mikrobiellem Lab.
Käse macht Spass und ist so was von modern!