Lebensmittel-Industrie: Bitte geben Sie eine kurze Übersicht zu Ihrem Unternehmen.
Tommy Gabriel: Wir sind ein Familienbetrieb in vierter Generation, und unser Hauptgeschäft ist es, die Gastronomie in der Innerschweiz mit Frischfleisch und Fleischwaren zu beliefern. Wir sind klein genug, um als regionaler Betrieb zu gelten. Mit unseren rund 3000 m² Produktionsfläche sind wir gleichzeitig gross genug, um die Gastronomiebetriebe in der Zentralschweiz flexibel, zuverlässig und kompetent beliefern zu können.
Wie kam es zur Fokussierung auf die Gastrobelieferung?
Diesen Entscheid fällte bereits mein Vater in den 1980er Jahren. Ausgangspunkt waren die begrenzten Umsätze, welche im Ladenverkauf möglich waren und sind. Auf dieser Grundlage erfolgte die Spezialisierung auf die Belieferung von Gastrobetriebe.
Damals entstanden immer mehr Einkaufszentren, und heute ist die Kundschaft noch weniger bereit, einzeln zur Bäckerei, Molkerei und zum Metzgerfachgeschäft zu gehen. Heute kauft man alles an einem Ort.
Ihr Metzgereifachgeschäft hat aber dennoch eine Art Fabrikladen …
Der Fabrikladen ist auf die effektive direkte Nachfrage ausgerichtet. Die Fixkosten sind zudem viel tiefer und in unserem Dorfumfeld tragbar.
Schlachten Sie in Ihrem Betrieb noch selber?
Ja, wir schlachten im Haus selber. Im eigenen Schlachthaus werden hauptsächlich Schweine, Kälber und Grossvieh geschlachtet. Wir beziehen die Tiere ausschliesslich von Bauernhöfen aus der Umgebung. Durch jahrelange Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten haben wir volles Vertrauen, dass wir gutes und gesundes Rohmaterial erhalten für die Weiterverarbeitung in unserem Betrieb.
Erfolgen alle weitere Arbeitsschritte vor Ort? Bitte geben Sie eine Übersicht.
Bei uns hat rationelles Arbeiten oberste Priorität. Deshalb wird alles im Haus selber produziert. Wir stellen sämtliche Wurstwaren, Schinken- und Speckprodukte selber her. Dazu kommen Spezialitäten wie das Nidwaldner Trockenfleisch aus Schweinefleisch, unsere würzige Nidwaldner Saucisson oder die sehr beliebte Engelbergerwurst. Diese drei Produkte sind mit einer Goldmedaille des schweizerischen Fleischfachverbandes ausgezeichnet worden.
Sie produzieren auf drei Stockwerken – was heisst dies für die Intra-Logistik?
Wir haben unsere Arbeitsabläufe vollautomatisiert, wo es nur geht. Dadurch werden lange Wege und zeitliche Aufwände reduziert. Sonst wäre das nicht wirklich möglich, und die Kosten würden explodieren.
Nun steht der Ausbau des TK-Lagers an –welche Vorteile bringt dies mit sich?
Wir können gezielter produzieren, grössere Warenlager machen und können neue Kundengruppen angehen. Mit modernster Technik konnten wir in den Bereichen Lagerung und Verarbeitung unsere Kapazität und Lieferbereitschaft stark erhöhen. Das vollautomatische Hochregallager, ein modernes Kommissionier- System, sowie das Lagerverwaltungssystem ermöglichen uns, hinsichtlich Qualität, Lagerung und Lieferbereitschaft optimal auf alle Kundenwünsche einzugehen.
Welche weiteren technologischen Neuerungen stehen an oder sind bereits erfolgt?
Wir haben im Jahr 2023 die IT komplett ersetzt mit zwei neuen Partnern. Wir haben zwei Online-Shops integriert. Derzeit prüfen wir, KI-Optionen für die Arbeitsprozesse zu nutzen. Auf jeden Fall wird die Produktionsplanung laufend weiter automatisiert.
Sie verwenden für das Herkunfts-Monitoring die DNA-Analysemethodik. Was sind die Ziele und Praxiserfahrungen?
In der Vergangenheit kam es in der Fleischbranche vereinzelt zu Falsch-Deklarationen, meist in grenznahen Betrieben ohne eigene Schlachtung. Proviande hat daher ein Tool für DNA-Analysen bei der Grossvieh- Schlachtung lanciert. Beispielsweise können die beauftragten Schweizer Labors bei einer Rindsvoressen zu 100 Prozent feststellen, wo das Tier geboren und wo es geschlachtet wurde. Wenn das Ergebnis keine Übereinstimmung ergibt, entsteht Erklärungsnot. Die technische Voraussetzung dafür ist die lückenlose Identifizierung der Tiere, wie sie in der Schweizer Branche seit Jahren besteht.
Für uns als 100-jähriger Betrieb bringt der DNACheck in erster Linie Mehrkosten. Wir liefern ohnehin immer die Qualität, welche wir versprechen. Ehrlichkeit fährt immer am längsten. Trotzdem haben wir die DNA-Prüfung eingeführt, weil Kunden wie Spital und Militär dies als zwingend verlangen. Wenn wir dem Kunden mehr Vertrauen durch diese Test geben können, ist dies sicher auch ein Vorteil für uns. Da wir die gesamten Kosten tragen, werben wir natürlich auch mit dieser Anwendung.
Stichworte Arbeitskräftemangel, Arbeitsplanung –wie ist die Situation bei Ihnen?
Die Situation hat sich in den letzten drei Monaten verbessert. Da viele exportierende Betriebe langsam, aber sicher in die Kurzarbeit rutschen wegen des Wechselkurses, ist man als Arbeitergeberbetrieb nicht mehr ganz so extrem unter Druck.
Handwerkliche Berufe haben in den letzten zwei bis drei Jahren so viel Aufwertung erhalten wie noch nie zuvor. Früher war eine Fleischkraft eher schlecht bezahlt für einen «Knochenjob». Heute sind Berufsleute besser bezahlt – eine riesige Chance. Die noch existierenden Betriebe sind bereit oder gezwungen, Top-Leute mehr auszugeben.
Vielen Dank für das Gespräch!