Bitte geben Sie einen Überblick zu Ihrem Unternehmen
Michael Muller: Unser Sortiment umfasst einzigartige Süssigkeiten: Basler Mässmoggen, Rocks- und Kissen-Bonbons, Fruchtgelee, Nougat, dragierte Mandeln, Marzipan und Glashasen.
Zu unseren Kunden gehören der Detailhandel (Coop regional, Manor lokal, Migros, Fachgeschäfte), Gastronomie, Messefahrer und im B2BBereich viele Firmenkunden, für die wir die Rocks-Bonbons mit ihrem Logo herstellen und in firmenspezifische Verpackungen abfüllen. Neben unseren eigenen Produkten produzieren wir auch Eigenmarken, die uns eine solide Grundauslastung über das gesamte Jahr hindurch gewährleisten.
In Basel und der Region ist Ihr Unternehmen «einBegriff» – wie kam diese Verankerung zustande?
Laut übereinstimmenden Berichten boten zwei französische Zuckerkocher aus Lyon und Nancy an der Basler Messe ihre Waren in den 1860er-Jahren an. Ihre lang gezogenen, dünnen Stängel aus gekochtem Zuckerbrei erfreuten sich schnell grosser Beliebtheit. Weil Zucker in Frankreich damals billiger als in Schweiz war, zahlte sich das Geschäft für die beiden Zuckerkocher aus. Neben dem Zucker spielte eine weitere Zutat für den Erfolg der damaligen Zuckerstängel eine zentrale Rolle: Die Entdeckung von künstlichen Lebensmittelfarbstoffen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Farbigkeit der Zuckerstängel musste damals einen ganz besonderen optischen Reiz auf die Messebesucher ausgeübt haben.
Die Geburtsstunde der legendären «Mässmogge»?
Der Erfolg der Zuckerkocher rief natürlich Nachahmer auf den Plan, sodass ab dem Jahr 1869 mehrere französische Zuckerkocher und Confiseure Zuckerstängel an der Basler Messe anboten. Um die Kundschaft rascher bedienen zu können, kamen findige Confiseure auf die Idee, kürzere und dafür dickere Stängel herzustellen. Aus dem Stängel wurde so ein Mogge und – so erzählt es die Legende – im Jahre 1879 rannte erstmals ein Kind mit dem freudigen Ruf: «Vater, Muetter, lueget dä Mässmogge!» nach Hause.
Diese ersten Mässmoggen waren eigentliche Glasmoggen, also ungefüllt und einfarbig. Um die Jahrhundertwende verfeinerte der ebenfalls aus Frankreich kommende Confiseur Leonz Goldinger die Glasmoggen indem er eine Haselnussmasse in die Zuckerstängel einarbeitete. Es war die Geburtsstunde der gefüllten Mässmoggen.
Die eigentliche Gründung des heutigen Unternehmens geht rund ein Jahrhundert zurück?
Kurz nach dem Ersten Weltkrieg gründete der Basler Alfons Bürgin 1921 sein eigenes Geschäft. Im «Kleinbasel» begann er an der Klybeckstrasse 14 die Fabrikation von Mässmoggen, Bonbons und anderen Confiserieartikeln.
Die Konkurrenz war damals in Basel bereits gross. Weitere Basler Confiseure, die meisten von ihnen Marktfahrer, legten an ihren Messeständen die Mässmoggen aus dem noch lauwarmen und formbaren «Zuckerteig» in die Hände der Kinder. Zu seinen Kunden gehörten bereits damals auch die Wagencliquen, die die bekannten Fasnachtsmoggen als «Wurfmaterial» an das Publikum verteilten. Infolge der Rationierung des Zuckers während des Zweiten Weltkriegs war die Existenz seiner Manufaktur stark gefährdet. Dennoch überwand er diese schwierige Zeit und übergab das Geschäft Mitte der 50er-Jahre seinem Sohn David, der die Firma fortan weiterführte und das traditionsreiche Zuckerbäckerhandwerk weiterpflegte. Die traditionelle Herbstmesse in Basel war denn auch während Jahrzehnten Hauptabnehmerin der Mässmoggen, Kissen-Bonbons, gebrannten Mandeln, des Fruchtgelees, der Marzipan- und der Nougat-Kreationen.
1991 kaufte David Bürgin von seinem einzigen noch verbliebenen Konkurrenten Fritz Albicker den Kundenstamm, die Rezepte und zugehörige, alte, aber immer noch funktionstüchtige Anlagen zur Produktion der allseits bekannten «geriffelten» Alppicker Mässmoggen. Damit wurde er zum alleinigen Hersteller dieser Mässartikel in der Schweiz und verdoppelte das Volumen. Dennoch entschied er sich kurz darauf, sein Geschäft zu verkaufen – daraus entstand schliesslich die heutige Sweet Basel AG.
Vermarkten Sie Ihre Produkte auch über die Region Basel hinaus – gibt es entsprechende Pläne?
Traditionell sind wir regional gut verankert, beliefern aber auch Kunden in der übrigen Schweiz, wie beispielsweise Globus. Wie die Bestellungen in unserem Onlineshop zeigen, ist das Interesse an hochwertigen Süssigkeiten in der ganzen Schweiz gross und Potenzial vorhanden.
Bislang war die Distributionsausweitung aufgrund beschränkter Ressourcen nur bedingt und punktuell möglich. Mit der Übernahme der Sweet Basel durch die gaw eröffnen sich aber neue Wachstumsmöglichkeiten. So verfügt die Gelati Gasparini über eine Verkaufsabteilung mit Key Account und Aussendienst. Ziel ist es, Synergien auch im Verkauf zu nutzen und neue Absatzkanäle primär in der Deutschschweiz zu erschliessen. Die Eröffnung einer eigenen Ladenkette ist allerdings nicht angedacht.
Ihre Herstellverfahren setzen auf klassisches Handwerks-Know-how – gibt es dennoch für Sweet Basel interessante technologische Entwicklungen?
Wie auch in unserem Logo abgebildet, ist Sweet Basel eine Genussmanufaktur. Im Jahr 2021 wurde Sweet Basel 100 Jahre alt. Das Handwerk ist deshalb wesentlicher Teil unserer Geschichte. Dieser Charakter ist einerseits ein wichtiger Bestandteil unserer Positionierung und ein starkes Verkaufsargument und wird andererseits von unserer Kundschaft, gerade weil es sich nicht um industriell hergestellte Süsswaren handelt, deshalb sehr geschätzt.
Es wäre grundsätzlich möglich, einzelne Produktkategorien maschinell herzustellen. Allerdings wären hohe Investitionen erforderlich, die sich allerdings aufgrund des aktuellen Produktionsvolumens nicht rechnen.
Zudem ist der Einstieg der Gesellschaft für Arbeit und Wohnen, gaw (siehe Infobox) damit verbunden, Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wozu sich unsere Manufaktur eben sehr gut eignet.
Welche berufliche Herkunft haben die bei Ihnen Beschäftigten?
Unsere Zuckerbäcker haben eine Ausbildung als Bäcker, Konditor oder Confiseur. Früher war die Herstellung von Bonbons Teil der Ausbildung. Heute jedoch wird das Handwerk on the job im Betrieb gelernt. In der Konfektion, in der die Süssigkeiten auch noch von Hand abgefüllt werden, ist ein hohes Qualitätsbewusstsein und Geschick erforderlich. Neue Mitarbeitende werden ebenfalls on the job eingeführt.
Finden Sie genügend Fachkräfte? Bilden Sie auch selber Lernende aus; für welche Produkte?
Wir können jetzt eine offene Stelle besetzen. Im Rahmen der Rekrutierung haben wir den Fachkräftemangel ebenfalls erlebt. Lernende bilden wir keine aus. Wir haben aber eine Kooperation mit Ricola im Bereich Produktion und bieten Lernenden ein Praktikum von 2–3 Wochen an, mit dem Ziel, die handwerkliche Herstellung der Basler Mässmoggen zu erlernen. Sie absolvieren einen Teil der praktischen Lehrabschluss-Prüfung in unserer Manufaktur.
Stichwort «Clean Label»: Wie reagieren Sie auf die verstärkte Nachfrage nach naturbelassenen Zutaten?
Zur Herstellung unserer feinen Süsswaren verwenden wir fast ausschliesslich Zucker, ein Naturprodukt, denn wir sind überzeugt, dass unsere Leckereien für höchsten Genuss stehen! Wenn immer möglich, setzen wir auch natürliche Rohstoffe wie Farben z. B. Kurkumin, Pflanzenkohle, färbende Lebensmittel wie Karotten oder Färberdistel und natürliche Aromen ein. Manchmal ist dies leider nicht möglich, da diese nicht hitzebeständig sind. Für unsere Süssigkeiten verwenden wir seit 3 Jahren kein Palmöl mehr. Stattdessen verarbeiten wir in unseren süssen Genüssen nur noch Schweizer Rapsöl und leisten so unseren Teil zu einer nachhaltigen Umweltverträglichkeit. Wir verzichten auf Zusatzstoffe. Generell legen wir sehr hohen Wert auf höchste Qualität der Rohstoffe, die wir sehr sorgfältig auswählen und verarbeiten, denn nur die besten Rohstoffe ergeben die besten Produkte. Deshalb arbeiten wir ausschliesslich mit serösen Lieferanten partnerschaftlich zusammen, da wir auch wissen wollen, woher die Rohstoffe kommen.
Im Bereich Verpackung ist Kunststoff insbesondere bei B2B-Kunden immer wieder ein Thema. Farben, Brillanz und Leuchtkraft sind Kennzeichen unserer Süssigkeiten und Eyecatcher im Verkaufsregal. Deshalb verpacken wir die Produkte in transparente Kunststoffverpackungen. Um auch in diesem Bereich nachhaltiger zu werden, haben wir vor einigen Jahren das Glas eingeführt. Wir stellen aber fest, dass die Präferenz der Kunden nach wie vor auf Kunststoffverpackungen liegt.
Ist die Herstellung von biozertifizierten Produkten für Sie ein Thema?
Nein. Bio erfordert den parallelen Aufbau einer komplett eigenständigen Supply Chain, d. h. separate Lagerung von Bio-Rohstoffen und Produktion, verbunden mit einem hohen Reinigungs- und Zertifizierungsaufwand. Die dafür notwendige Infrastruktur ist nicht vorhanden. Da unsere Produkte als Genussmittel positioniert und aufgrund der handwerklichen Herstellung im oberen Preissegment angesiedelt sind, würden unsere Süssigkeiten zum einen noch teurer und zum anderen sind wir der Meinung, dass Bio für unsere Süssigkeiten unserer Kundschaft keinen Zusatznutzen stiften würden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Sweet Basel AG – mehr als 100 Jahre Basler Tradition
1921 – Geschäftsgründung durch Alfons Bürgin im «Kleinbasel» an der Klybeckstrasse 14
1991 – David Bürgin, Sohn von Alfons Bürgin, kauft von seinem einzigen noch verbliebenen Konkurrenten Fritz Albicker den Kundenstamm, die Rezepte und Anlagen.
1993 – Geschäftsübernahme nach dreimonatiger inarbeitung durch Vinzenz Flury
1999 – Wegzug von der Klybeckstrasse nach Birsfelden (unmittelbar ausserhalb Basels). Umbenennung von «David Bürgin/Inh. Vinzenz Flury» in «Sweet Basel AG»
2008 – Aufnahme der «Mässmoggen» in das Inventar des «Vereins Kulinarisches Erbe der Schweiz»
2011 – Fasziniert vom süssen Kunsthandwerk, übernehmen Christoph Goepfert und Michael Muller das traditionsreiche Basler Unternehmen.
2013 – Investition in eine neue Doppelkochanlage, massive Kapazitätserweiterung als Grundlage für die Expansionsstrategie.
2014 – QM-Meilenstein: Erfolgreiche Zertifizierung der gesamten Genussmanufaktur nach dem international anerkannten Qualitätsstandard FSSC 22000
2022 – Die Gesellschaft für Arbeit und Wohnen gaw übernimmt die Sweet Basel im Rahmen einer Nachfolgelösung.
Sweet Basel AG und Gesellschaft fürArbeit und Wohnen (gaw)
Im Verlauf 2022 übernahm die Gesellschaft für Arbeit und Wohnen gaw in Basel das Traditionsunternehmen Sweet Basel in Birsfelden und wird damit zusätzliche attraktive und arbeitsmarktnahe Arbeitsplätze für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung anbieten können.
Die gaw ist eine privatwirtschaftliche Unternehmung mit sozialer Zielsetzung. Sie bietet Lösungen für die Arbeits- und Wohnintegration von Menschen mit Beeinträchtigungen der Arbeitsleistung und der Alltagsbewältigung an und betreibt zu diesem Zweck marktorientierte Betriebe in den Bereichen Lebensmittelproduktion, Detailhandel, Gastronomie, Hauswirtschaft, Versand/Verpackung und Wohnen. Mit der Übernahme kann die gaw ihr Angebot an attraktiven begleiteten Arbeitsplätzen nahe am ersten Arbeitsmarkt ausbauen und die Ausbildung zum Lebensmittelpraktiker Confiserie um ein weiteres Einsatzfeld bereichern.
«Für uns ist es auch eine Herzensangelegenheit, dass Sweet Basel in Basler Händen bleibt und der Mässmoggen, der zum kulinarischen Erbe der Schweiz gehört, an der Herbstmesse auch in Zukunft Klein und Gross zum Strahlen bringt», sagt Michael Muller, Geschäftsführer von Sweet Basel.