Liebe Leserin, lieber Leser

Sobald schwerwiegende Veränderungen auftreten, tauchen Schwarzmaler aus allen Ecken auf. So war es beispielsweise, als die Nationalbank den Mindestkurs für den Euro aufhob. Das Lamento war gross und emotional. Der eidgenössische Weltuntergang fand jedoch nicht statt. Die Wirtschaft und mit ihr die Lebensmittelindustrie hat sich trotz hartem Wellengang verhältnismässig gut gehalten. Natürlich mit Einschränkungen. Am meisten betroffen war – und ist – die Verpackungsindustrie, welche sich gegenwärtig auf Schrumpfkurs befindet. Dank grossem Engagement und Innovationskraft scheint die Lebensmittelbranche bis dato mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein.

Nun kündigt sich neues Ungemach an. Seit die Briten den Austritt aus der EU beschlossen haben, werden Experten nicht müde, vor negativen wirtschaftlichen Auswirkungen zu warnen. Ökonomen von Rang und Namen zeichnen bezeichnenderweise für die Schweizer Wirtschaft ein besonders düsteres Bild und sehen auch die Lebensmittelindustrie nahe dem Abgrund. Bevor wir uns kollektiv ins Unglück stürzen lassen, ist ein Moment des Innehaltens angebracht – verbunden mit einem Blick zurück in die vergangenen vier Jahrzehnte. Wirtschaftlich sehr schwierig waren beispielsweise die Jahre Anfang 1970, 1990 und die durch die Banken ausgelöste Krise vor rund 10 Jahren. Ja, es stimmt: Die Jahre waren hart, die Unternehmer mussten sich warm anziehen und viele Konsumenten den Gürtel enger schnallen. Aber: Es zeigte sich auch, dass nichts so heiss gegessen wird, wie es gekocht wird. Und: Jede Krise mag in vielerlei Hinsichten heilsam wirken. Die Spreu trennt sich vom Weizen und Unternehmen, welche die richtigen Entscheidungen getroffen haben, gehen in der Regel gestärkt aus rezessiven Jahren hervor.

Ob das nach dem erfolgten Brexit auch so sein wird, weiss niemand mit Bestimmtheit. In der Lebensmittelindustrie sind – ausser im Logistikbereich – noch keine Sturmböen grösseren Ausmasses auszumachen. Gegenwärtig empfiehlt sich, ruhig Blut und einen kühlen Kopf zu bewahren. Erst einmal abwarten und Distanz gewinnen ist oft ratsamer, als sich aufgrund negativer Meinungsmache mit unausgegorenen Strategien in Aktivismus zu stürzen.

In der vorliegenden Ausgabe widmen wir dem Thema Grossbritannien ebenfalls einen Artikel. Unser EU-Experte Dr. Dietmar Stutzer analysiert den Status quo der britischen Lebensmittelindustrie (Seite 29): aus gebührender Distanz, emotionslos aber präzise und mit vielen Fakten.

Christoph Hämmig
Chefredaktor