Die steigende Bedeutung von alternativen Fleischprodukten in der Schweiz wurde bis heute ausgehend von ad hoc-Befragungen oder mittels qualitativen Ansätzen beschrieben (z.B. GDI, 2019; SwissVeg, 2020). Andere Untersuchungen zu diesem Thema fokussierten sich auf einzelne Unternehmen (Coop, 2021). Eine quantitative, datengetriebene Analyse zur Marktentwicklung von Fleischersatzprodukten existierte bis dato nicht. Mit der vorliegenden Studie wird diese Lücke geschlossen. Basierend auf den aktuellsten Handels- und Konsumentenpaneldaten von Nielsen Schweiz hat der Fachbereich Marktanalysen des Bundesamts für Landwirtschaft die vorliegende Analyse erstellt. Der Report verfolgt drei Ziele:
- Entwicklungen im Fleisch- und Fleischersatzmarkt quantitativ aufzeigen und damit ein besseres Marktverständnis schaffen;
- Die Transparenz in den sich stark wandelnden Nahrungsmittelmärkten erhöhen;
- Mögliche Potenziale einer pflanzlichen Proteinproduktion für die Humanernährung für die Schweizer Landwirtschaft aufzeigen.
Inhalt der Studie Die Studie vertieft die Marktentwicklungen von Fleischersatzprodukten im Schweizer Detailhandel von 2016 bis 2020. Zu Beginn wird die Kategorie der Fleischersatzprodukte in den Kontext der Nachfrageentwicklung von Fleisch gestellt, um die Grössenverhältnisse und damit die aktuelle Bedeutung von Fleisch bzw. Fleischersatzprodukten insgesamt zu illustrieren (vgl. Grafik nächste Seite). Analysiert werden Absatz-, Umsatz-, Preis- und Marktanteilsentwicklungen gesamthaft sowie für verschiedene Produktgruppen. Innerhalb der Fleischersatzprodukte werden die drei Produktgruppen «Tofu / Tempeh / Seitan», «Vegi Convenience» und «Meat Analog» genauer untersucht. Dafür wird das kombinierte Retail- und Konsumentenpanel von Nielsen genutzt. Daneben wird ausgehend vom Konsumentenpanel das Einkaufsverhalten der Haushalte in Bezug auf Fleischersatzprodukte und im Vergleich mit Fleisch anhand von soziodemografischen Merkmalen betrachtet. Der Analyseteil schliesst mit einem Ländervergleich hinsichtlich Konsumausgaben für Fleischersatzprodukte. Dafür werden neben den Nielsen-Daten der Schweiz auch Marktdaten von Nielsen MarketTrack und Eurostat ausgewertet. Ein Ausblick zu möglichen zukünftigen Entwicklungen von Fleischersatzprodukten auf globaler Ebene sowie eine Einordnung dieses Nachfragetrends für die Schweizer Landwirtschaft schliessen die Studie ab.
Detailhandel vs. Gesamtmarkt
Aktuell wird die Marktentwicklung der Fleischersatzprodukte im Wesentlichen durch den Detailhandel geprägt. Deshalb fokussiert die vorliegende Studie auf diesen zentralen Absatzmarkt. Nicht thematisiert wird der Ausser-Haus-Konsum von Fleischersatzprodukten, da dieser im Vergleich zum Detailhandel bislang eine geringe Bedeutung für die Gesamtmarktentwicklung dieser Produktkategorie hat. Begleitinformationen und Analysedaten Verschiedene Infoboxen dienen dazu, zentrale Begrifflichkeiten zu erläutern oder zu definieren, weiterführende Angaben zur Analysemethodik zu machen oder Zusatzthemen zu vertiefen. Die verschiedenen Grafiken im Report, deren zu Grunde liegende Daten sowie weitere Informationen können im separat aufbereiteten Excel-Datendokument als .xlsx-Datei auf der Webseite des Bundesamts für Landwirtschaft abgerufen werden (Begleittabellen zum Report). Einleitend zur Studie werden ab Seite 5 kurz aktuelle Konsumtrends ausgeführt, die im Kontext der Nachfrage nach Fleisch- und Fleischersatzprodukten wichtig sind.
Das Wichtigste in Kürze:
- Alternative Proteinquellen in der Humanernährung in Form von Fleischersatzprodukten gewinnen vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Diskurses zum Klimawandel und der tierischen Lebensmittelproduktion an Bedeutung. Mit dem vorliegenden Report wird für die Schweiz zum ersten Mal die Marktentwicklung von Fleischersatzprodukten im Schweizer Detailhandel gesamtheitlich untersucht.
- In den vergangenen fünf Jahren ist die Nachfrage nach Fleischersatzprodukten stark gestiegen. Im 2020 hat der Schweizer Detailhandel – auch aufgrund des Einflusses der Pandemie – einen Umsatz von 117 Mio. CHF mit Fleischersatzprodukten erwirtschaftet, gegenüber 60 Mio. CHF im Jahr 2016. Dies entspricht bei einer jährlich durchschnittlichen Wachstumsrate von 18,4 % nahezu einer Verdoppelung. Verglichen mit Fleisch bleibt Fleischersatz ein Nischenmarkt mit einem Marktanteil von 2,3 % im Detailhandel.
- Die höchsten Wachstumsraten verzeichneten sogenannte Meat-Analog-Produkte. Damit sind Produkte gemeint, die wie Fleisch aussehen und schmecken sollen. Diese Subkategorie macht neben den Subkategorien «Tofu / Tempeh / Seitan» und «Vegi Convenience» mittlerweile über 60 % des Gesamtumsatzes von Fleischersatzprodukten aus.
- In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der eingeführten Produkte im Detailhandel bei den Subkategorien «Meat Analog» und «Vegi Convenience» mehr als verdoppelt. Eingeführt wurden vornehmlich Burger, Aufschnitt oder Formfleisch wie Schnitzel und Nuggets.
- Besonders gefragt waren Burger auf pflanzlicher Basis. Jedes sechste im Detailhandel abgesetzte BurgerPatty wird mittlerweile auf pflanzlicher Basis produziert. Über das gesamte Fleischersatzsortiment bleibt die Subkategorie «Tofu / Tempeh / Seitan» mit 22.2 Mio. CHF nach wie vor die umsatzstärkste Produktgruppe.
- Durchschnittlich zahlten Konsument*innen in der Schweiz im 2020 einen Preis (berechnet als Unit Value) von 20.53 CHF pro Kilogramm über alle Fleischersatzprodukte, welcher 5,1 % unter dem Niveau aller Fleischprodukte liegt. Im direkten Produktvergleich einzelner Produktgruppen sind Fleischersatzprodukte hingegen deutlich teurer als Fleischprodukte. So kosten beispielsweise pflanzliche Burger im Durchschnitt 42 % mehr als Fleischburger, bei Geschnetzeltem liegt die Differenz bei +16 %. Seit 2016 hat insgesamt eine preisliche Annäherung von Fleisch und Fleischersatzprodukten stattgefunden, wobei Fleischersatzprodukte günstiger wurden.
- Mit 90 % Marktanteil ist der klassische Detailhandel der wichtigste Absatzkanal von Fleischersatzprodukten. Das deutlichste Umsatzwachstum verzeichneten in den vergangenen fünf Jahren allerdings die Discounter mit einer durchschnittlich jährlichen Wachstumsrate von über 60 %. Dabei wurde der grösste Teil des Umsatzes mit Meat-Analog-Produkten erwirtschaftet.
- Der Einkauf von Fleischersatzprodukten durch die Privathaushalte wird stark von soziodemografischen Merkmalen der Haushalte geprägt. Die Nachfrage nach Fleischersatzprodukten ist bei Familienhaushalten bis zu zwei Kindern, bei Deutschschweizer Haushalten, bei Haushalten im Alter unter 50 Jahren sowie bei gutverdienenden und städtischen Haushalten deutlich höher. Umgekehrt ist die Nachfrage nach Fleischersatzprodukten in ländlichen Gebieten, in der Westschweiz und bei Haushalten mit geringen Einkommen tiefer.
- Mit rund einer halben Milliarde Euro Umsatz ist das Vereinigte Königreich der bedeutendste Markt für Fleischersatzprodukte in Europa. Die Schweiz weist mit 11.50 Euro im europäischen Vergleich die höchsten ProKopf-Ausgaben für Fleischersatzprodukte auf. Die hohen Pro-Kopf-Ausgaben in der Schweiz erklären sich im Wesentlichen durch einen im Durchschnitt um rund acht Euro höheren Verkaufswert pro Kilogramm Fleischersatzprodukte (19.0 vs. 11.1 Euro / kg; +71,8 %). Werden die nachgefragten Einkaufsmengen verglichen, liegen die Niederlande und das Vereinigte Königreich mit jeweils 0.86 Kilogramm pro Kopf vor der Schweiz.
- Verschiedene Studien prognostizieren für die nächsten 5 bis 20 Jahre einen weiter anhaltenden Wachstumstrend für Fleischersatzprodukte. Neben den bisherigen Produktgruppen wird davon ausgegangen, dass in Zukunft auch «Cultured Meat» bzw. «Laborfleisch» Marktreife erlangen und sich im Markt etablieren wird.
- Für die Schweizer Landwirtschaft bietet der Markt für Fleischersatzprodukte ebenfalls grosses Potenzial, insbesondere in Bezug auf die Produktion pflanzlicher Rohstoffe. Diese Potentiale werden bislang kaum genutzt. Derzeit werden nahezu alle pflanzlichen Proteine für die inländische Fleischersatzproduktion importiert.
Die gesamte Studie können Sie unter folgendem Link einsehen: https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/markt/marktbeobachtung/land--und-ernaehrungswirtschaft/fleischersatz.html