Lebensmittel-Industrie: Sie haben sich die Zielsetzung «60 Wurstarten» gesetzt. Wo stehen Sie und welche weiteren quantitativen und qualitativen Ziele streben Sie darüber hinaus an?
Martin Stettler: Das Ziel «60 Wurstsorten» stand am Anfang der Geschäftsgründung im Rahmen einer Kanada-Reise. In Quebec traf ich auf einen lokalen Metzger mit einem derart zahlreichen Sortiment. Die 60er-Marke habe ich jedoch schon vor acht Jahren erreicht. Das Sortiment hat sich bei 62 Sorten eingependelt. Wir bleiben jedoch nicht stehen und entwickeln laufend neue Spezialitäten. Wenn etwas nicht so gut läuft, wird das Produkt durch etwas Neues ersetzt. Für unsere Stammkundschaft wechseln wir jährlich etwa 5 Sorten aus.
Was ist in kurzen Worten Ihre Geschäfts-Philosophie?
Seit mehreren Jahren ergänzt die Schweiz zusammen mit den EFTAStaaten ihre Handelsabkommen mit einem Nachhaltigkeitskapitel. In diesem versprechen sich die Vertragspartner, Umwelt- und Menschenrechtsstandards zu beachten. Zur Einhaltung solcher Standards haben sich die Partnerländer in der Regel schon anderweitig verpflichtet, etwa indem sie Umweltabkommen oder Abkommen zum Schutz der Arbeitsrechte unterzeichnet haben.
Reicht dies angesichts der eher bescheidenen politischen Einflussmöglichkeiten der Schweiz, die Umsetzung durchzusetzen?
Qualität vor Quantität! Wir sind möglichst regional ausgerichtet und bieten in allen Bereichen Top-Qualität zu äusserst fairem Preis. Für uns steht die Wertschöpfung sowie das Handwerk im Vordergrund. Als Teil der regionalen Ausrichtung fördern wir es zudem, dass unsere Mitarbeitenden in der Umgebung leben und ein gutes Einkommen finden können.
Wie positioniert sich Ihr Unternehmen im Vergleich zur gewerblichen und industriellen Konkurrenz?
Wir bieten das grösste Sortiment an hausgemachten Wurstspezialitäten in der gesamten Region, insbesondere an Bratwurst- und Rohwurstwaren. Wir wählen für unser Fleisch die beste Qualität aus und reifen es selber optimal aus. Wir bieten Grill- und Kochtipps vom Profi. Wichtig ist für uns auch der zweite Verkaufsort am Märit Bern, jeweils am Dienstag auf dem Bundesplatz und am Samstag in der Münstergasse.
Was kann die industrielle Verarbeitung und die Branche allgemein von Ihnen lernen – und umgekehrt?
Von uns lernen lässt sich die Liebe zum Handwerk. Grundsätzlich setzen wir auf quantitatives Wachstum und bleiben lieber «klein und fein». Grössere Produktionsbetriebe können betreffend Effizienz in der Herstellung und Standardisierung der Abläufe als Orientierungshilfe dienen. Die Qualität vieler industriell hergestellter Fleischerzeugnisse hat sich im Verlauf der Zeit gesteigert. Wir müssen die Vorteile der handwerklichen Herstellung also voll ausschöpfen. Im Vergleich zur industriellen Produktion können wir flexibler auf Wünsche der Kundschaft eingehen.
Was ist Ihnen beim Einkauf Ihrer Zutaten und Rohstoffe besonders wichtig?
Wir beschaffen möglichst alles aus der Region. Der Zukauf der Tiere erfolgt zum grossen Teil bei Bauern aus der Umgebung. Zudem setzen wir auf Eigenschlachtung. Die gute Kenntnis der Rohstoffe und ihrer Herkunft ermöglicht eine fachgerechte und handwerklich hochstehende Herstellung mit weitgehend natürlichen Zutaten und möglichst ohne Zusatzstoffe.
Welche Bedeutung haben dabei Branchenstandards und Labelanforderungen?
Als Grundlage halten wir uns selbstverständlich an die Hygiene-Branchenlösung unseres Verbands. Beim Fleisch setzen wir auf den Standard «QM Schweizerfleisch» und damit auf die sehr guten Haltungsvorschriften des Schweizer Tierschutzes. Wir kennen die Herkunft der Tiere und der weiteren Rohstoffe sehr gut und können die Kundschaft aus erster Hand darüber informieren. Biolabels und andere Qualitätsprogramme stehen für uns daher nicht im Vordergrund.
Wie gehen Sie mit der Kritik an Zusatzstoffen um? Gibt es gute Alternativen etwa zu Nitritpökelsalz?
Wir stellen unsere Produkte sehr traditionell her und verwenden Zusatzstoffe nur da, wo sie tatsächlich nötig sind. Unsere Bratwürste werden beispielsweise grundsätzlich ohne Nitritpökelsalz hergestellt. Die Ausnahme bilden die geräucherten Bratwürste und weitere geräucherte Wurstwaren. Bei diesem Herstellverfahren kommt Nitritpökelsalz generell aus Gründen der Produktsicherheit zum Einsatz. Bei diesen Produkten gibt es daher bis jetzt keine Alternative zu Nitritpökelsalz, das daher übrigens auch für die Bioverarbeitung zugelassen ist.
Die Forderung nach Salz- und Fettreduktion betrifft auch die Fleischbranche – welches Potenzial sehen Sie hier?
In unseren Würsten haben wir den Salzgehalt bereits vor Jahren um rund 10 Prozent gesenkt. Da Salz neben der Geschmacksbildung eine wichtige technologische Funktion hat, ist eine weitere Reduktion für uns kein Thema. Beschränkt ist der Handlungsspielraum beim Fett als Hauptgeschmacksträger in unseren Würsten. Im Sinne eines ausgewogenen Speiseplans empfehlen wir unserer Kundschaft aber auch nicht die ausschliessliche Ernährung mit Wurstwaren.
Wie stehen Sie zum aktuellen Trend «Nose to tail» und wie vermitteln Sie das der Kundschaft?
Auf dieses Thema sind wir bereits eingestiegen lange bevor es «trendy» wurde. Ein feines Schweinskopfbäggli oder ein zartes, perfekt grilliertes Flank-Steak können Sie bei uns auch im unternehmenseigenen Restaurant Bären geniessen. «Nose to tail» bedeutet zu einem gewissen Grad eine Rückbesinnung auf die traditionelle Wertschätzung des ganzen Tiers und die Nutzung all seiner Teile. Stücke wie das Flank-Steak haben dabei sicher grosses Potenzial, während das Potenzial der klassischen Innereien wie Lebern, Nieren oder Lungen wohl beschränkt bleiben wird.
Haben Sie bereits eine Insekten-Wurst im Sortiment – wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?
Der Nose to Tail-Ansatz bedeutet gleichzeitig, dass wir zur optimaleren Verwertung der in der Schweiz anfallenden Nebenprodukten beitragen möchten. Der Import eines getrockneten Eiweissprodukts auf Insektenbasis widerspricht dieser Zielsetzung, zumindest so lange die entsprechenden Rohstoffe nicht aus der Schweiz in optimaler Qualität und Vielfalt verfügbar sind. Zudem fehlt zumindest bei unseren Kundinnen und Kunden bisher die Nachfrage nach solchen Artikeln. Als «Gag» könnten wir uns Insekten-Chips in einer Wurst durchaus vorstellen und technisch wäre dies für uns keine Herausforderung. Den Namen hätten wir bereits: «Grillengriller»! Wir haben aber noch viele Pfeile im Wurst-Rezept-Köcher, die wir noch nicht verschossen haben. Bevor wir «Mehlwürmer und Co.» verwenden, kreieren wir lieber eine Wurst beispielsweise mit Schweinsherz.
Die wachsende Nachfrage nach veganen und vegetarischen Würsten stellt auch die innovativsten Unternehmen vor Herausforderungen – was sind Ihre Antworten darauf?
Wir sind ein fleischverarbeitender Betrieb und ziehen daher die entsprechende Kundschaft an. Wir bieten jedoch ergänzend eine hausgemachte, vegetarische Wurst an, den «Vegi-Griller». Für den Partyservice, beispielsweise das Grilloder Apéro-Buffet, haben wir weitere schmackhafte Alternativen, die wir beim Spezialisten zukaufen. So können wir alle Bedürfnisse bestens befriedigen.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die weitere Geschäftsentwicklung.
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