Geben Sie uns einen Überblick zur Chocolat Stella Bernrain ...
Marcel Leemann – Stella Bernrain ist ein Schweizer Familienunternehmen mit Sitz in Kreuzlingen (TG) und Giubiasco (TI) und produziert seit über 90 Jahren Schokoladenspezialitäten höchster Qualität. Wir sind auf die Entwicklung und Produktion von Private-Label-Schokoladen für Kunden weltweit spezialisiert.
Neben klassischen Schokoladen umfasst das Sortiment unter anderem Bio- und Fair-Trade-Produkte, laktosefreie Varianten, vegane Schokoladen, Schokoladen ohne Zuckerzusatz sowie eine grosse Anzahl von Formen und Formaten. In der Schweiz sind wir bekannt für das Ostersortiment unserer Hausmarke «Bernrain». Mit der Marke «Stella» verbinden wir Schweizer Schokoladenqualität mit Innovationskraft und Nachhaltigkeit.
... und zu Ihrer Funktion im Unternehmen.
Ich bin bereits seit 20 Jahren im Unternehmen. Angefangen habe ich nach dem Studium als Lebensmittelingenieur an der ETH Zürich als Projektleiter in der Produktentwicklung. Dann hatte ich das Glück, bereits nach 18 Monaten bei Stella Bernrain zum Geschäftsfeldleiter Private Label und damit in die Geschäftsleitung befördert worden zu sein. Mittlerweile bin ich Verkaufsleiter und verantworte die Abteilungen Verkauf, Marketing und Produktentwicklung.
Bernrain spezialisiert sich auf Produktions-Aufträge aus der Branche – können Sie einige Beispiele geben?
Wir machen keine reine Auftragsfertigung, sondern sind darauf spezialisiert, für unsere Kunden ganze Private-Label-Linien zu entwickeln. Wir setzen Kundenideen quasi in Schokolade um und übernehmen dabei alle Schritte von der Rohstoffsuche, dem Sourcing der Rohstoffe, der Rezeptentwicklung, Formatauswahl, dem Verpackungssystem bis zum fertigen Schokoladenprodukt. Unsere Private-Label-Kunden sind grosse Supermärkte, kleine Start-ups, andere Schokoladenmarken und Fabriken sowie viele Handelsmarken.
Gerade die Arbeit mit kleinen Start-ups macht Spass, da man da manchmal wirklich kreative Aufgabenstellungen erhält und man auch mal Schokoladen mit Cola-Aroma oder Mostarda-Püree entwickeln kann. Natürlich benötigen wir aber für eine gute Auslastung auch die grossen Kunden mit eher traditionelleren Sortimenten, die schon im Markt etabliert sind.
Welche Rolle nimmt die Bioverarbeitung ein?
Bio ist bei uns zu einem sehr grossen Standbein geworden, fast immer gepaart mit Fairtrade. Wir haben in den späten 80er-Jahren damit begonnen und der Anteil an der Gesamtproduktion ist laufend gestiegen. Momentan sind ungefähr 80 Prozent der Verkäufe nach Bio- und Fairtrade-Anforderungen zertifiziert.
Wie sieht es aus bezüglich weiterer Labels und Spezialqualitäten?
Wir produzieren sehr viele verschiedene Labels und Spezialitäten. Bereits die Bioqualitätsanforderungen umfassen eine Vielfalt an Ausprägungen, je nach Land oder Organisation. Wir produzieren neben den Anforderungen nach CH- und EU-Bio-Verordnung auch nach Bio-Suisse-Standard (Knospe-Label) oder nach dem Demeter-Standard. Für die USA oder Japan müssen wir gemäss den jeweiligen staatlichen Bio-Anforderungen produzieren. Da sich die Standards jeweils leicht unterscheiden, benötigen wir dafür teilweise nochmals andere Rohstoffe.
Wir produzieren zudem gemäss dem Allergielabel «AHA» laktosefreie Produkte, Schokoladen ohne Zuckerzusatz und vegane Rezepturen. Eine weitere Spezialität ist Schokolade nach dem höchsten Koscher-Standard.
Welche neuen Technologien etablieren sich in der Schokoladenverarbeitung – bzw. welche traditionellen Verfahren bleiben nach wie vor aktuell?
Grundsätzlich ist die Schokoladenproduktion immer noch ein sehr traditionelles Geschäft und neue Technologien haben es nicht so leicht. Wir produzieren zum Teil noch auf Maschinen mit etlichen Jahren auf dem Buckel. Wir conchieren zum Beispiel noch traditionell über einen sehr langen Zeitraum, um ein möglichst ausgewogenes Kakaoaroma zu erhalten und um einen feinen Schmelz der Schokolade zu erzielen.
Gleichzeitig verwenden wir jedoch zum Temperieren und Kristallisieren der Schokolade die von der ETH Zürich entwickelte Impftechnologie. Für unsere gefüllten Tafeln setzen wir die sogenannte «Frozen Cone»-Technologie ein. Dabei werden mit einem Stempel-Verfahren bei sehr niedriger Temperatur die Hülsen der gefüllten Tafeln gebildet.
Neue Entwicklungen etablieren sich derzeit vor allem in der Verpackungstechnologie. So verarbeiten wir zum Beispiel kompostierbare Folien als Innenverpackungen von Tafeln und verwenden Flowpack-Verpackungen aus recycelbarem Papier.
Woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe – mit welchen Unternehmen arbeiten Sie zusammen?
Wir versuchen, unseren Hauptrohstoff Kakao wenn immer möglich direkt am Ursprung bei den Kooperativen einzukaufen. Dies ist bei der überwiegenden Mehrheit unserer Bio-Rohstoffe der Fall. Wir stehen im direkten Austausch mit den Kooperativen, welche wir regelmässig besuchen und mit denen wir eigene Nachhaltigkeits-Projekte durchführen.
So haben wir zum Beispiel aktuell gerade ein sehr grosses, kapitalintensives Projekt mit der Kooperative Norandino in Peru, in welchem beim Kakaoanbau Agroforest-Systeme eingeführt werden und die Bauern in der guten landwirtschaftlichen Praxis ausgebildet werden. Dies mit dem Ziel, die Kakaoqualität zu verbessern, eine nachhaltigere Landwirtschaft zu fördern und für die Bauern ein besseres Einkommen zu erzielen.
Da wir vor etwas mehr als 25 Jahren mit dem Kakaorösten aufgehört haben, arbeiten wir mit verschiedenen Lohnröstern zusammen, bei welchen wir unsere Kakaobohnen nach unseren Röstprofilen rösten und zu Kakaomasse vermahlen lassen. Die Schweizer Firma Pronatec mit einer neuen vollständig auf Bioverarbeitung spezialisierten Kakaoverarbeitung ist beispielsweise für uns ein enger Partner für das Rösten der Kakaobohnen und das anschliessende Vermahlen zu Kakaomasse. Alle folgenden Produktionsschritte übernehmen wir in unseren eigenen Fabriken.
Die Rohstoff-Beschaffung in der Kakaobranche steht in der Kritik – deckt Ihre Qualitätsbeschaffung die relevanten Herausforderungen ab?
Grundsätzlich funktioniert unser System mit der Beschaffung direkt am Ursprung sehr gut. Wir haben damit die Qualität, soziale Themen wie Kinderarbeit und lebensmittelrechtliche Themen wie Pestizide sehr gut unter Kontrolle. In Krisenzeiten wie gerade jetzt mit dem sehr stark gestiegenen Kakaopreis und der extremen Volatilität der Preise sind aber auch wir sehr stark gefordert. Plötzlich sind die Verfügbarkeit und die Qualität zu einem grösseren Thema geworden.
Die Regulierungsdichte steht unter Kritik in der Schweiz ebenso wie die EU – was ist Ihre Haltung dazu?
Dies ist tatsächlich immer mehr ein Problem. Als Beispiel kann ich da die EU-Entwaldungsinitiative nennen. Für uns Schweizer mit einem Standort in einem Drittstaat ergeben sich massive Handelshemmnisse bei Export von Schokolade in die EU. Die aufwendigen Anforderungen an die Daten, welche für den Export in die EU geliefert werden müssen, sind gross, zum Teil noch gar nicht vorhanden.
Zudem müssen die Informationen nochmals nachgewiesen werden, selbst wenn die Rohstoffe aus der EU stammen und die verlangten Nachweise bereits erfüllt sind. Unsere Branchenorganisation Chocosuisse engagiert sich in diesem Zusammenhang gegen Handelshemmnisse für Schweizer Schokoladenhersteller. Für mich persönlich sind Regulierungen, welche den gesunden Menschenverstand der Konsumenten nicht beachten, manchmal unverständlich. Als Beispiel die Primärzutaten-Verordnung, dank welcher wir bei Schweizer Schokolade auf der Verpackung angeben müssen, dass der Kakao nicht aus der Schweiz stammt, was mir aber eher logisch erscheint und sicherlich nicht extra erwähnt werden muss.
Welche Challenges kommen auf die Branche insgesamt zu?
Die Schokoladenbranche steht vor mehreren Herausforderungen, die sich auf verschiedene Ebenen auswirken. Besonders akut sind derzeit die massiven Preisschwankungen unseres Hauptrohstoffes Kakao, welche für die ganze Branche ein starke wirtschaftliche Herausforderung darstellen. Wir erwarten, dass sich diese Volatilität künftig noch verstärkt und auch andere Rohstoffe betroffen sein werden. Wir können mit höheren, aber kalkulierbaren Preisen besser leben als mit stark schwankenden Preisen.
Finden Sie die für Ihre Branche notwendigen Fachkräfte – wie?
Erstaunlicherweise finden wir meist noch genügend Fachkräfte. Wir haben aber auch unser System geändert und bilden viel Personal direkt bei uns an der Maschine zu Fachkräften aus. Wir stellen auch Produktionsmitarbeiter ohne Schokoladenwissen ein und führen diese an die Schokoladentechnologie heran. Schwieriger ist es für uns, Fachkräfte im Bereich IT und zum Teil auch in der Qualitätssicherung zu finden, da wir mit beiden Fabriken in Randregionen der Schweiz sind (Thurgau und Tessin). Die übrigen Abteilungen konnten wir bisher gut mit nötigen Fachkräften besetzen.
Vielen Dank für den Austausch!