Obwohl Schweizer KMU derzeit nicht direkt betroffen sind, ist es ratsam, sich frühzeitig auf potenzielle Auswirkungen vorzubereiten. Die Entwicklung einer nachhaltigen Unternehmenskultur und die Nutzung von Austauschplattformen können für die Vorbereitung hilfreich sein.
Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hat sich seit seiner Einführung im Jahr 2023 kontinuierlich weiterentwickelt und wurde am 1. Januar 2024 auf Unternehmen mit mehr als 1000 Arbeitnehmern ausgeweitet. Es legt fest, wie Unternehmen ihre Lieferketten hinsichtlich sozialer und ökologischer Aspekte überwachen müssen. Parallel dazu plant die EU die Einführung eines Lieferkettengesetzes für 2025, das alle Mitgliedstaaten erfassen wird. Diese rechtlichen Schritte haben beträchtliche Auswirkungen auf die Geschäftswelt. Besonders betroffen sind Schweizer KMU, die bisher weniger in Nachhaltigkeitsfragen involviert waren, aber enge wirtschaftliche Beziehungen mit Deutschland pflegen.
Mittelschwere Unbekümmertheit
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis deutsche bzw. europäische Grossunternehmen die Sorgfaltspflichten auf ihre Zulieferer ausdehnen und entsprechende Informationen und Vereinbarungen von ihnen einfordern werden. Bei Nichteinhaltung der Scope-3-Anforderungen gemäss dem LkSG drohen Image- und Reputationsverluste sowie der Verlust von bestehenden und potenziellen Kunden.
Schweizer KMU sind sich der Bedeutung von Nachhaltigkeit zwar bewusst, jedoch wird dieses Thema derzeit von drängenden Herausforderungen überlagert: Fachkräftemangel, Inflation, Lieferkettenprobleme,Umsatz- und Margenrückgang usw. In vielen Fällen scheint deshalb das Motto zu gelten: «So lange mir nicht die Pistole auf die Brust gesetzt wird und es keine entsprechenden Gesetze in der Schweiz gibt, mache ich gar nichts.» Dabei ist es sehr wichtig, nicht den Anschluss zu verlieren und das Unternehmen jetzt schon ganzheitlich auf dieses Thema auszurichten.
Nicht zu kurz springen: Nachhaltigkeit als Thema der Unternehmenskultur
Viele Schweizer Unternehmen haben bereits einzelne Nachhaltigkeitsprojekte auf den Weg gebracht. Um aber nicht im «Projektchen- Status» mit vielen unterschiedlichen Initiativen zu verharren, ist es wichtig, Nachhaltigkeit fest in der Kultur des Unternehmens zu verankern. Dazu sollte sie eng mit den strategischen Zielen und Werten des Unternehmens verknüpft werden. Unternehmenskultur zeigt sich zunehmend als entscheidender Faktor für das Gelingen – aber auch für das Scheitern von Nachhaltigkeitsbemühungen. Ist die Kultur nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, verpuffen selbst ambitionierte Initiativen oder kostenintensive Beratungsimpulse von aussen wirkungslos.
Das zeigt sich zum Beispiel, wenn einzelne Personen trotz ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen im Unternehmen wenig erreichen. Ohne einen Wandel hin zur Nachhaltigkeitskultur neigen Beteiligte entweder dazu, aufzugeben, in Passivität zu verharren oder frustriert das Unternehmen zu verlassen. Die Geschäftsleitung ist dann meist verwundert, warum das Unternehmen nicht nachhaltig ist, «obwohl ja extra jemand dafür eingestellt wurde».
Das gleiche Szenario kann sich auch bei der Implementierung von Nachhaltigkeits- Tools oder der Einführung von Managementsystemen wiederholen, etwa zur Aufnahme von Umweltleistungsindikatoren. Checklisten werden abgearbeitet und Zahlen erfasst, aber es fehlt an tatsächlicher Verhaltensänderung aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse. Oder noch gravierender: Die angeforderten Zahlen werden gar nicht oder nur unter grösstem Aufwand geliefert, weil den Mitarbeitenden der Sinn und die Relevanz des Themas nicht bewusst ist.
Dadurch bleibt der Effekt auf die Nachhaltigkeitsleistung gering, und der wirkliche Wandel zum nachhaltigen Unternehmen lässt auf sich warten.
Erfolgreiche Integration von Nachhaltigkeit in das Unternehmens-Mindset
Was also tun?
❱ Finden Sie zunächst (z. B. über interne Tiefeninterviews) heraus, welche Haltung die Mitarbeitenden gegenüber Nachhaltigkeit haben, welche Herausforderungen als besonders wichtig für das Unternehmen angesehen werden und welchen Platz das Thema im Kontext anderer wichtiger Aufgaben bei den Mitarbeitenden haben könnte.
❱ Entscheiden Sie gemeinsam mit den anderen Top-Führungskräften, welche Rolle Nachhaltigkeit zukünftig in der Unternehmensstrategie und -kultur einnehmen soll, insbesondere in Bezug auf Werte, Vision und Leitbild des Unternehmens.
❱ Gewinnen Sie unbedingt auch das mittlere Management für das Thema Nachhaltigkeit, denn es ist ein entscheidender Akteur für den Erfolg von Nachhaltigkeitsprojekten im Unternehmen. Als Vermittler und Vorbild spielt diese Ebene eine zentrale Rolle bei der Umsetzung nachhaltiger Praktiken.
❱ Kommunizieren Sie Nachhaltigkeit kontinuierlich als Teil des neuen Selbstverständnisses im Unternehmen. Nutzen Sie dazu diverse Kommunikationswege wie Newsletter, das Intranet, Townhall- Meetings und informelle Gespräche, um eine durchgängige Botschaft zu vermitteln.
Auf diese Weise entwickelt sich allmählich ein Verständnis im Unternehmen, das die Möglichkeit für nachhaltiges Handeln überhaupt erst schafft.
Daniel Karczinski, Big Shift Lab, Berater für Organisationsentwicklung und Nachhaltigkeit