Im Rahmen dieser Bachelorarbeit wurde das bestehende HACCP-System der Lustenberger & Dürst SA revidiert. Dazu wurde ein übergeordnetes Vorgabedokument erstellt, welches die Revisionen von bestehenden HACCP-Systemen und die Erstellung neuer HACCP-Systeme erleichtert und vereinheitlicht. Zugleich wurde eine komplette Studie einer Produktgruppe erarbeitet gemäss dem erstellten Vorgabedokument.
Die Firma Lustenberger & Dürst SA ist ein Käseverarbeitungsbetrieb, welcher jährlich mehr als 8000 Tonnen Käse verarbeitet und in über 40 Länder exportiert. Die Käsespezialitäten werden von Partnerkäsereien für die Lustenberger & Dürst SA produziert und anschliessend in den Affinage-Zentren in Hünenberg (Zug) und Heitenried (Freiburg) ausgereift. Die Abpackung und der Versand erfolgen beim Standort Hünenberg.
Rechtliche Grundlagen und Anforderungen aus Standards
Das Qualitätsmanagementsystem der Lustenberger & Dürst SA ist nach den Standards BRC Global Standard, Version 9, und IFS Food, Version 8, zertifiziert und erfüllt zusätzliche Anforderungen aus Kundenstandards. Gemäss den rechtlichen Anforderungen aus der Schweiz dürfen nach Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (LMG) nur sichere Lebensmittel in Verkehr gebracht werden. Dazu wird unter anderem die Ausarbeitung, die Umsetzung und die Aufrechterhaltung eines HACCP-Systems im Rahmen der Selbstkontrolle gemäss Art. 75, 78 und 79 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) gefordert. Die Standards IFS und BRC fordern ebenfalls die Umsetzung der HACCP-Grundsätze.
Die einzige weltweit anerkannte fachliche Grundlage zur Ausarbeitung eines HACCP-Systems ist die Verfahrensregel des FAO/WHO Codex Alimentarius. In der Verfahrensregel «General Principles of Food Hygiene, CXC 1-1969, Rev. 2022» wird das HACCP-System in zwölf Schritte aufgeteilt. Auch das HACCP-System aus der Branchenleitlinie Fromarte ist auf diesen zwölf Schritten aufgebaut. Fromarte bietet erarbeitete HACCP-Studien zu gewissen Produkten sowie Vorlagen und Literaturhinweise zur Bewertung von Gesundheitsgefahren an. Diese unterstützen Käsereibetriebe bei der Erstellung und Umsetzung von HACCP-Studien.
Voraussetzungen für ein HACCP-System
Damit ein HACCP-System erfolgreich implementiert werden kann, sind Grundvoraussetzungen wie die technische und räumliche Ausstattung und grundlegende Hygienemassnahmen zu erfüllen. Diese werden als Gute Hygiene- und Herstellungspraxis (GHP) zusammengefasst. Die GHP umfasst produktunspezifische Massnahmen wie die Personalhygiene, das Raumklima oder die Arbeitshygiene. Sie verhindert allgemeine Produktkontaminationen aus dem Betriebsumfeld und ist nicht auf Einzelgefahren ausgerichtet.
Im Gegensatz zur GHP ist das HACCP-System produkt- und prozessspezifisch und wirkt gezielt auf einzelne Gefahren. Die Abgrenzung von HACCP zur GHP ist wichtig, da sonst der korrekte Umgang mit Gefahren, Grenzwerten und Kontrollmechanismen nicht gegeben ist.
Herausforderungen bei artisanal hergestellten Käsen
Die Beherrschung von potenziellen Gefahren durch Fremdkörper ist eine Herausforderung bei der Herstellung von artisanal produzierten Käsen. Es ist wichtig, dass Fremdkörper bereits bei der Käseherstellung in den einzelnen Käsereien auf ein annehmbares Mass reduziert werden. Das wichtigste Mittel dazu ist die Milchfiltration, welche auf den Landwirtschaftsbetrieben und/oder bei der Milchannahme erfolgt. Eine sekundäre Kontamination während der Käseproduktion ist zu verhindern, indem Wartungen von Anlagen durchgeführt werden und der Austausch von Gerätschaften regelmässig vorgenommen wird. So können zum Beispiel Fremdkörper durch spröde Dichtungen und ausfallende Borsten minimiert werden. Darüber hinaus ist es unerlässlich, dass Vorfälle wie Glasbruch in den Käsereien genau dokumentiert werden. Die Bruchstücke müssen gesichert und die betroffenen Chargen gegebenenfalls gesperrt werden.
Je nach Art des Fremdkörpers und der Konsumentengruppe ist mit einer gesundheitlichen Gefährdung ab einer Grösse von 2 bis 7 mm zu rechnen. Zudem werden Fremdkörper unabhängig ihrer Grösse von Kunden nicht toleriert. Die Nachweisgrenze von Metall bei der Fremdkörperdetektion durch Röntgengeräte oder Metalldetektoren liegt bei wenigen Millimetern. Fremdkörper anderer Art, zum Beispiel Kunststoff oder Glas, können von Metalldetektoren allerdings nicht detektiert werden.
Eine weitere Herausforderung ergibt sich durch die nicht vorhandene Hitzebehandlung bei der Herstellung von Rohmilchkäsen. Dadurch können pathogene Keime wie Salmonella oder Listeria monocytogenes während der Produktion nicht eliminiert werden. Daher muss die Auftretenswahrscheinlichkeit von pathogenen Keimen auf ein Minimum reduziert werden. Dies erfolgt durch die Einhaltung der GHP, die Verwendung geeigneter Rohware, eine sorgfältige Verkäsung und Affinage und die Vermeidung von Kreuzkontaminationen. Das Wachstum pathogener Keime wird im ungeschnittenen Käse durch die Konkurrenzflora stark unterdrückt. Sobald der Käse geschnitten wird, ist auf eine einwandfreie Verarbeitungshygiene zu achten.
Unterscheidung zwischen Validierung und Verifizierung
Nach der Festlegung der Beherrschungsmassnahmen und deren Überwachung und Korrekturmassnahmen erfolgt im elften Schritt die Validierung des HACCP-Plans und die Festlegung der Verifizierungsverfahren.
Die Validierung überprüft die Wirksamkeit des gesamten HACCP-Systems. Sie basiert auf wissenschaftlichen und technischen Daten und ist ein kontinuierlicher Prozess während der Ausarbeitung einer HACCP-Studie. Das HACCP-System wird vor seiner Implementierung validiert. Alle signifikanten Gefahren müssen durch die erarbeiteten Massnahmen beherrscht werden können.
Das Ziel der Verifizierung ist die Überprüfung der korrekten Umsetzung des validierten HACCP-Systems nach dessen Implementierung. Neben der eigentlichen Überwachungstätigkeit wird durch die Anwendung von zusätzlichen Methoden, Verfahren, Tests und Bewertungen überprüft, ob eine Kontrollmassnahme wie vorgesehen funktioniert oder funktioniert hat.
Mit der lückenlosen Durchsetzung des HACCP-Systems über alle Wertschöpfungsstufen kann die Lebensmittelsicherheit vom Endprodukt gewährleistet werden. Mit der konsequenten Anwendung des Systems können potenzielle Gefahren wie Fremdkörper oder pathogene Keime beherrscht werden und Kundenanforderungen erfüllt werden. Dabei ist es wichtig, das HACCP-System regelmässig zu überprüfen und bei Produkt- oder Prozessänderungen anzupassen.
Madlen Duss, Bachelor of Science ZHAW in Lebensmitteltechnologie ZHAW, Fachspezialistin Qualitätsmanagement bei der Firma Lustenberger & Dürst SA
❱ Quellen: Duss, M. (2023). Erarbeitung eines HACCP-Systems für ein ausgewähltes Produkt und Erstellung eines übergeordneten Vorgabedokumentes zu HACCP für die Firma Lustenberger & Dürst SA [Bachelorarbeit unveröffentlicht]. Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) vom 20. Juni 2014, SR 817.0, Stand am 1. Januar 2022.
Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) vom 16. Dezember 2016, SR 817.02, Stand am 1. Februar 2024.
Codex Alimentarius Commission: General Principles of Food Hygiene, CXC 1-1969 (Rev. 2022).
© Fromarte. (2023). HACCP-Konzept. Version 2.2.