Fett hat bei Konsumenten schon lange einen schlechten Ruf, gilt als Dickmacher und Ursache für bestimmte Krankheiten.[1] Besonders in den 80er- und 90er-Jahren entstand hierdurch ein regelrechter Hype um Light-Produkte, die als gesünder angepriesen wurden. Eindeutige wissenschaftliche Belege, dass Fett ungesund ist, gibt es allerdings nicht. Michel Burla kennt Fette in allen Facetten. Er ist Geschäftsführer von Nutriswiss, einem Unternehmen aus Lyss, das auf die Veredelung von Öl- und Fettkomponenten für die Industrie spezialisiert ist. Er betont: „Wie bei allem im Leben kommt es auf das richtige Maß an. Tierische Fette oder pflanzliche Öle sind nicht per se gut oder schlecht, sie haben unterschiedliche Anwendungsbereiche.“
Fettfreie Diät-Helfer
Von vielen Lebensmitteln gibt es Varianten, die weniger Fett enthalten. Egal, ob Käse, Wurst oder sogar Chips – sie alle können als low-fat Version gekauft werden. Verbraucher erhoffen sich durch Light-Produkte eine gesündere Ernährung und Hilfe beim Abnehmen. Doch sind sie wirklich besser? Burla: „Meist enthalten fettreduzierte Lebensmittel genauso viel Kalorien wie das Original. Hinzukommt, dass sie voller Geschmacksverstärker, künstlicher Zutaten und synthetischer Süßstoffen stecken.“ Studien belegen, dass sich künstliche Süßstoffe negativ auf die Darmgesundheit auswirken können.[2] Weniger Fett bedeutet außerdem, dass unser Körper die in der Nahrung enthaltenen Vitamine nicht effektiv aufnehmen kann. Die Vitamine A, D, E und K beispielsweise sind fettlöslich und können nur im Zusammenspiel mit dem Makronährstoff Fett verwertet werden. Burla empfiehlt, auf Ersatz-Produkte zu verzichten: „Es ist gesünder, die normale Produktvariante zu konsumieren und hierbei auf die richtige Menge und Ausgewogenheit zu achten.“
Tierische Herkunft: Ethisch sinnvoll und variabel einsetzbar
Lange galten tierische Fette aufgrund ihres hohen Gehalts an gesättigten Fettsäuren als ungesund, da sie angeblich das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten erhöhen. [3] Neue wissenschaftliche Studien stellen dies jedoch nicht nur infrage, sondern rehabilitieren tierische Fette: Beispielsweise hat Schweinefett im Vergleich zu tropischen Fetten einen höheren Anteil an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, und das Verhältnis von Omega-3 zu Omega-6 Fettsäuren ist günstiger. Burla: „Neben geschmacklichen Vorteilen sind tierische Fette hitzestabil und auch aus ethischen Gründen ergibt eine gesamtheitliche Verwertung der Tiere Sinn.“
Vielseitige Rohstoffe
Der Industrie bieten tierische Fette ebenfalls Vorteile: „Sie sind besonders schmackhafte Alternativen zu pflanzlichen Frittierfetten“, erklärt Burla. „Nicht ohne Grund verwenden die Belgier für ihre weltberühmten Fritten Rindertalg.“ Dieser ist auch besonders hitzstabil und daher gut zu diesem Zweck geeignet. Durch den Anteil gesättigter Fettsäuren liegt der Rauchpunkt von Rinderfett bei etwa 220°C und damit um einiges höher als bei Pflanzenfetten. Der Nutzen von Schweinefett wiederum liegt in der günstigen Triglycerid-Verteilung, die für ein verbessertes Volumen und optimale Mürbung von Backwaren sorgt. Die Kombination von Rinder- und Schweinefett ermöglicht dank flacher Schmelzkurve ein breites Verarbeitungsspektrum.
Pflanzliche Quellen: Voll wichtiger Nährstoffe
Dank des wachsenden Bewusstseins der Öffentlichkeit für eine ausgewogene Ernährung steigt auch die Nachfrage nach allem, was mit Omega-3-Fettsäuren angereichert werden kann. Langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus Fisch- oder Algenöl spielen eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Gehirns, welches zu ungefähr 60 Prozent aus Fett besteht. Diese Fette wirken sich positiv auf den Hippocampus aus, also den Hirnbereich, der für die Gedächtnisleistung zuständig ist. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind außerdem wichtig für ein intaktes Immunsystem, helfen beim Aufbau von Zellen und der Fettmembran.[4]
Damit sie ein sicheres Lebensmittel sind, müssen auch diese sensitiven, instabilen Öle raffiniert und mögliche Schadstoffe wie Pestizide oder Mineralölrückstände entfernt werden. Nutriswiss nutzt dafür besonders schonende Verfahren, um wertvolle Inhaltsstoffe zu erhalten und keine Prozesskontaminanten zu bilden. Burla: „Am Ende bestimmen die Prozessumstände, welches Öl oder Fett das richtige ist. Zusätzlich ist die Qualität entscheidend, um erwiesenermaßen schädliche Stoffe wie Transfettsäuren auszuschließen. Fett zu verurteilen hat keine wissenschaftlich fundierte Grundlage – und glücklicherweise wächst das Wissen um eine ganzheitliche Ernährung kontinuierlich.“
[1] Taubes, G. (2001). „The Soft Science of Dietary Fat”. Science. Vol. 291., S. 2536-2545.
[2] Suez J. et al. (2014). Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gut microbiota. Nature; 514(7521):181-6. doi: 10.1038/nature13793.
[3] Hollstein, T. (2021). Gesättigte Fette nicht verteufeln. Deutsches Ärzteblatt; A-359 / B-308.
[4] Koenzen, A. (2017). Fett ist gesund! Echt?! Aktuelle Stunde - Fernsehen – WDR.