«Die Migros wird schweizweit sämtliche Trinkmilchen (ausser Bio und Demeter) auf IP-Suisse Wiesenmilch umstellen», teilt die in der Schweizer Landwirtschaft stark verankerte Labelorganisation in einer aktuellen Medienmeldung mit. Bis Ende Jahr erfüllt das gesamte Trinkmilch-Sortiment in den Verkaufsregalen des wichtigen IP-Suisse-Partners vollständig Labelanforderungen der Standards Migros Bio, Demeter sowie IP-Suisse-Wiesenmilch. Migros-Eigenmarken wie Valflora- oder Heidi-Trinkmilchen erhalten ein Co-Branding: Das heisst, die Marken bleiben bestehen, die Eigenmarken werden zukünftig aber auch unter den IP-Suisse-Auflagen produziert und mit dem Label ausgezeichnet. Mit der Umstellung vermarktet Migros bis Ende Jahr gesamthaft rund 110 Millionen Kilogramm Wiesenmilch und bietet über 600 Milchbauern einen neuen Lieferkanal. Die neue verstärkte Zusammenarbeit sei auch ein klares Bekenntnis zur nachhaltigen Landwirtschaft in der Schweiz, teilen Migros und IP Suisse unisono mit.
Durchbruch der Graslandstrategie?
Die IP-Suisse-Anforderungen erfüllen nicht die Kriterien des Schweizer Bioverbands-Labels Bio Suisse und weiterer Biostandards. In ausgewählten Regelbereichen verlangt das bekannte Label mit dem «Marienkäfer» jedoch sehr weit gehende Nachhaltigkeitskriterien. Mit der Lancierung des Wiesenmilch-Programms lancierte IP-Suisse vor einigen Jahren die Debatte um die konsequente Umsetzung der graslandbasierten Milchwirtschaft neu.
Selbst kritische Organisationen wie die Denkwerkstatt «Vision Landwirtschaft» begrüssen den Entscheid von Migros als wichtigen Schritt. «Von einer wirklichen Wiesenmilch sind Migros und IP-Suisse jedoch noch weit entfernt», gibt Geschäftsführer Andreas Bosshard zu bedenken. Auch bei der «Wiesenmilch» würden noch Tausende von Tonnen Kraftfutter eingesetzt, erläutert Bosshard: «Dabei gehen 9 von 10 Kalorien verloren - eine extrem ineffiziente Produktion, die wir uns sowohl von der Ernährungssicherheit wie von den Klimazielen her nicht leisten können.»
Zwar ist die die Weidehaltung für Rinder in der Schweiz traditionellerweise üblich. Ein Grossteil der Betriebe erfüllt die damit verbundenen Förderprogramme für regelmässige Auslaufhaltung. Komplex und selbst für Fachleute nicht immer nachvollziehbar sind jedoch die Ausnahme-Regelungen der verschiedenen Label-Programme betreffend Kraftfutter, das teilweise aus bezüglich Nachhaltigkeit kritischen Soja-Importquellen stammt. Die Gründe dafür sind auch durch die Tierzucht-Strategien der vergangenen Jahrzehnte verursacht. Bei den auf Hochleistung getrimmten Milchkühe ist der ernährungsphysiologische Bedarf nach Kraftfutter grösser als bei traditionellen Rinderrassen.
«Kuhfrei» rettet das Klima nicht
Betreffend Kraftfuttereinsatz noch viel kritischer sieht die Situation bei der Schweinefleisch- und Geflügel-Produktion, die zu einem wesentlichen Teil auf importierte Kraftfutter angewiesen. Paradoxerweise trifft die teilweise ideologisch-realitätsferne Grundsatzkritik an der Schweizer Landwirtschaft und Tierhaltung oft ausgerechnet die Rinderhaltung und die damit verbundene Milch- und Fleischwirtschaft. Mit Blick auf die Schweizer Topographie ermöglicht jedoch gerade diese traditionelle Kombination eine sehr sinnvolle und nachhaltige Nutzung der für den Ackerbau nur eingeschränkt nutzbaren Hügel- und Berggebiete. Damit verbunden sind gleichzeitig existentielle Leistungen für die Versorgungssicherheit und den Erhalt der Schweizer Landschaft verbunden sind.
Eine massvolle und effektiv graslandbasierte Rinderhaltung kann auf zudem einen Beitrag an die vielfältigen klimapolitischen Herausforderungen leisten. Derzeit sei dieses Ziel jedoch keineswegs erreicht, betont Andreas Bosshard: «Tatsächlich hat die Schweizer Landwirtschaft kaum eine andere Wahl, als bei der Rinderhaltung ganz vom Kraftfutter wegzukommen, wenn sie die Klimaziele erfüllen wolle. Gigantische 1,2 Millionen Tonnen Futtermittel importiert die Schweizer Landwirtschaft jedes Jahr, Tendenz weiter steigend. Mit dem Nährwert dieses Importfutters könnte die halbe Schweizer Bevölkerung ernährt werden - eine extreme Verschwendung.»
Gute Chancen für Nachhaltigkeits-Mehrwerte – wenn der Preis stimmt
Die konsequente Ausrichtung auf Graslandwirtschaft ist für die Schweizer Milch- und (Rind-) Fleischwirtschaft nicht nur ökologisch sinnvoll ist, sondern auch die beste Image- und Qualitäts-Strategie. Für die Biolandwirtschaft und -Tierhaltung und anspruchsvolle Label-Programme wie IP-Suisse ergeben sich dadurch gute Zukunftschancen. Strategische Entscheide der Grossverteiler erzeugen einerseits starke Mengen- und Skaleneffekte und geben gleichzeitig die Richtung vor. Wichtig ist dabei, dass die Leistungen und Kosten dieser Qualitätsstrategie entlang der Wertschöpfungskette gerecht und transparent vergütet werden.
Informationen:
IP-SUISSE Wiesenmilch schweizweit in der Migros – IP-SUISSE www.ipsuisse.ch/ip-suisse-wiesenmilch-schweizweit-in-der-migros/
LID News - lid.ch www.lid.ch/medien/agronews/alle-agronews/lid-news/migros-stellt-auf-ip-suisse-wiesenmilch-um/