In Zusammenarbeit mit ausgesuchten Partnerbetrieben in verschiedenen europäischen Ländern setzt Delinat den Leitstandard für den ökologischen Rebbau und naturnahe Kelterei. Die Delinat-Methode bietet längst auch wichtige Impulse für die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft insgesamt.
Lebensmittel-Industrie: Delinat erzielt bei Labelratings regelmässig Spitzenwerte, selbst im Vergleich zu Bio Suisse - was sind die wichtigsten Erfolgskriterien dafür?
Karl Schefer: Erstens ist es wesentlich einfacher, Richtlinien für ein einzelnes Produkt zu erstellen und zu optimieren, als solche, die von Gemüse bis Kosmetik alles abdecken müssen.
Zweitens sind wir beseelt von der Idee, aus Weinbergen lebendige Naturparadiese zu machen. Natürlich soll Wein entstehen, in genügender Menge und vorzüglicher Qualität. Doch nicht auf Kosten der Natur. Daher hat Artenvielfalt für uns immer eine zentrale Rolle gespielt. Das hat dazu geführt, dass wir Biodiversitäts-Massnahmen exakt definiert haben. Ausserdem begleiten wir unsere Produzenten, beraten sie und helfen mit praxiserprobtem Wissenstransfer. Das wird bei Label-Ratings belohnt.
Delinat-Betriebe können sich mit «Best Practice»- Zusatzleistungen bezüglich Nachhaltigkeit und Biodiversität profilieren – welche Herausforderungen und Lösungen stehen im Vordergrund?
Der Schädlings- und Krankheitsdruck nimmt mit der Zunahme der Vielfalt im Weinberg ab. Die Monokultur-Effekte zu brechen, ist das A und O. Wichtigstes Element ist das intakte Bodenleben. Auf Bearbeitung sollte verzichtet werden oder sich auf eine nur sehr oberflächlich beschränken. Nackte Böden sind Gift für alles Leben, daher ist eine ganzjährige Bodenbedeckung so wichtig. Aber auch die vertikale Biodiversität mit Bäumen, Büschen und Hecken ist unerlässlich. Es gibt keine schnellen Lösungen – unsere Winzer verbessern sich ständig, auch nach zwei Jahrzehnten Delinat-Methode.
Welche Lösungen bietet der Delinat-Ansatz über den Rebbau hinaus für die Biolandwirtschaft - und für die konventionelle Agrarwirtschaft insgesamt?
Vieles lässt sich auf andere Kulturen übertragen. Nackte Böden schädigen immer das Bodenleben, Humus wird ab- statt aufgebaut, auch in Bio-Betrieben. Auf Ebene der Vermarktung hilft es, wenn Produzenten ihre Geschichte erzählen und möglichst direkten Kontakt zu Konsumenten pflegen. Wichtig ist es, Vertrauen aufzubauen und auch Probleme und Herausforderungen anzusprechen.
Sie engagieren sich derzeit stark für die Pestizid- und die Trinkwasser-Initiative - was sind die Hauptgründe dafür?
Wir glauben nicht an einen Wandel durch politische Kräfte. Die Konsumenten müssen ihr Recht für eine lebenswerte Natur einfordern. Vor allem die Trinkwasser-Initiative hat das Zeug dazu, die Situation zu verändern. Es ist eine historische Chance, die wir nutzen sollten.
Mit der Nein-Parole zur Trinkwasser-Initiative folgte eine grosse Mehrheit der Delegierten dem Antrag des Bio Suisse-Vorstands. Ihre Einschätzung zu den Gründen?
Es sind unterschiedliche Gründe. Zum Beispiel die Angst, Privilegien zu verlieren. Aber auch verkrustete Strukturen – man kann sich gewisse Dinge einfach nicht vorstellen und wehrt sich gegen das Ungewisse. Auf jeden Fall ist zudem Druck im Spiel, einerseits vom mächtigen Bauernverband und andererseits von den Grossverteilern, die durch einen Bio-Boom nur zu verlieren hätten. Sie haben erfolgreich verhindert, dass Aldi und Lidl die Knospe erhalten, profitieren weiterhin von hoher Marge und behindern mit hohen Preisen ein schnelles Bio-Wachstum.
Was halten Sie der sehr kritischen Haltung der Bio Suisse-Leitung entgegen?
Die Haltung nenne ich nicht kritisch. Sie ist kurzsichtig und schlicht dumm. Damit erweisen sie der Bio-Bewegung und ihrem Verband einen Bärendienst. Kein einziges der Argumente ist stichhaltig, wie ich in meinem Brief dargelegt hatte, der dann zum Kassensturz gelangt ist.
Der Entscheid der Bio Suisse führte in der Öffentlichkeit zu Erstaunen und Verwirrung - Was sind aus Ihrer Sicht die Eckpunkte einer Zukunftsvision für (Bio-)Landwirtschaft?
Es braucht Bio mit Herz und Verstand. Zum Verstand gehören die wissenschaftlichen Ansätze, die in der Definition der regenerativen Landwirtschaft zu finden sind: Methoden zur Erhöhung der Biodiversität, Permakultur, Klimaschutz, Humus-Aufbau. Dazu braucht es deutlich mehr Innovation wie Maschinen, die schwere Handarbeit übernehmen einerseits und die Entwicklung zeitgemässer Produktneuheiten anstelle von Milch- und Fleischbergen.
Die Kundinnen und Kunden wollen im Herzen berührt werden. Sie legen zunehmend Wert darauf, ihre Produzenten zu verstehen und sie stellen kritische Fragen zur Herstellung. Es muss Vertrauen aufgebaut werden, mit Transparenz und emotionalen Geschichten. Im Unterschied zu Wein, bei dem jede Marke sich sehr eigenständig verkauft, gestaltet sich die Kommunikation beispielsweise für Karotten, Gerste und Birnen schwerer.
Es braucht nicht unbedingt ein neues Label, aber vermutlich ein Gütezeichen, das auf die zusätzlichen Werte hinweist und dabei die Bauern und Bäuerinnen mit ihren innovativen Leistungen ins Zentrum stellt. Bio allein ist zu abstrakt. Neue Marken könnten auf Bio basieren, vorwiegend aber Zusatzwerte wie «regenerativ», «klimapositiv», «pestizidfrei» und vieles mehr herausheben.
Weitere Informationen unter: www.delinat.com