Seit 120 Jahren wird im thurgauischen Stettfurt Backhefe für das Bäckergewerbe, die Brot- und Backwarenindustrie und den Detailhandel produziert. Die Presshefefabrik Stettfurt AG schloss sich 1993 mit den Hefefabriken AG Hindelbank zur Hefe Schweiz AG zusammen.
Der Produktionsstandort Stettfurt wurde ausgebaut. Heute ist die Hefe Schweiz AG die einzige inländische Anbieterin, die ihre Backhefe noch vollständig im eigenen Haus produziert, bzw. vermehrt. Die Hauptrohstoffe Zuckerrübenmelasse und Rübendicksaft stammen aus der nahegelegenen Zuckerfabrik Frauenfeld. Das benötigte Wasser für die Hefe-Fermentation entspringt den eigenen Quellen am Sonnenberg. Das Quellwasser wird gesammelt aufbereitet und fliesst direkt in die Fabrik. Ein Teil des Wassers wird zur Kühlung der Fermentationskessel verwendet und wärmt schliesslich in den Sommermonaten das unweit gelegene Freibad. Mitte der 90er-Jahre wurde zudem auf dem Grundstück der öffentlichen Abwasserreinigungsanlage im Nachbarsdorf Matzingen eine eigene Vorklärung gebaut, welche heute durch einen Mitarbeiter vor Ort betrieben wird.
Mit aktuell 38 Mitarbeitenden werden in Stettfurt pro Jahr rund 5200 Tonnen Hefe produziert. Zusammen mit 900 Tonnen natürlichen Weizen-Vorteigprodukten sowie 500 Tonnen Handelswaren (insbesondere Malzprodukte) erzielt die Hefe Schweiz AG einen jährlichen Umsatz von rund 16 Millionen Franken.
Biohefe mit Exportpotenzial
2004 lancierte die Hefe Schweiz AG die europaweit erste Biohefe auf Rübenmelasse-Basis. Die Biohefe unterscheidet sich von der Konventionellen nicht nur durch die eingesetzten Biorohstoffe, sondern auch im Herstellprozess, welcher sich aufwendiger gestaltet, da zusätzliche Prozessschritte notwendig sind. Die Verarbeitung der Biohefe im Teig unterscheidet sich hingegen nicht gegenüber der Konventionellen und kann in der Praxis mit wenigen kleinen Umstellungen der Arbeitsabläufe erfolgen.
Neben der leicht wachsenden Nachfrage im Schweizer Biomarkt sieht Geschäftsleiter Mathias Roost ein grosses Wachstumspotenzial beim Export in die EU-Nachbarländer: «Wir exportieren erfolgreich Biohefe sowie Weizen-Vorteige.Die Vorteige, weil nichts Vergleichbares, Natürliches auf dem Markt existiert, und Biohefe, weil die nachgefragte Menge für die grossen europäischen Hersteller (noch) nicht interessant genug ist, diese selber herzustellen. Die Zielgruppen im Export sind Industriekunden und Hefehersteller, primär in Deutschland und Frankreich.»
Der Ausbau der Positionierung mit den Biosortimenten sei wichtig, betont Roost: «Eine Differenzierung im Standardsortiment ist nicht möglich, hier herrscht der Preiskampf mit ausländischen Herstellern, welche eine ganz andere Kostenstruktur aufweisen als die Hefe Schweiz. Dies bedeutet, dass wir uns spezialisieren müssen.»
Kompetenzzentrum Backstudio
Vor rund drei Jahren eröffnete die Hefe Schweiz AG das «Backstudio» in einem optisch und funktionell sehr gut gelungenen Neubau unmittelbar neben der Produktionsstätte. Marcel Ammon, Leiter Produktentwicklung, zur Bedeutung dieser eigenen Verarbeitungsinfrastruktur: «Die Hefe Schweiz unterstützt insbesondere die gewerblichen und semiindustriellen Kunden als kompetente Partnerin bei der Beratung und der Entwicklung individueller Praxislösungen, etwa bei der Rezeptentwicklung.
Das Backstudio dient dabei als Kompetenzzentrum, deren Einrichtung dem Stand einer zeitgemässen gewerblichen Backstube entspricht. Die Praxis-Situation der Kundenbetriebe lässt sich daher gut nachvollziehen. Zudem finden im Backstudio auch Schulungen für Kunden und externe Kooperationspartner statt. Marcel Ammon gibt eine Übersicht: «Dabei stehen die Praxis-Anwendungen unserer Produkte wie dem natürlichen Weizenvorteig ‹Panatura›, welcher über 72 Stunden fermentiert wird, unseren Malzmehlen, weiteren Spezialitäten und selbstverständlich unseren Bioprodukten im Zentrum.» Bei fachtechnischen Kursen stehen Themen wie die Geschmacksbildung durch eine optimierte Fermentation, etwa mit dem aktuell sehr gefragten Wissen zu zeitgemässen Sauerteigverfahren, teilweise mittels «Verheiratung» von Backhefe mit Sauerteig, auf dem Programm. «Wir wollen in den Kursen auch aktuelle Trends einfliessen lassen, auch wenn diese auf ‹Kosten› des Hefeeinsatzes gehen. Dabei suchen wir den aktiven Austausch mit ERFA-Gruppen und Unternehmen, nach Wunsch in Verbindung mit Besichtigungen der Hefeproduktion», ergänzt Marcel Ammon. Schliesslich kann das Backstudio auch für Schulungen oder Tagungen gemietet werden.