Bitte geben Sie einen Überblick zur Positionierung und zu den Schwerpunkten Ihres Unternehmens.
Rolf Niederer: Unser Unternehmen ist eine klassische Dorf-Metzgerei mit Restaurant und Catering. Unser Schwerpunkt liegt im Bereich Detailverkauf und Catering, wobei wir auch diverse Grosskunden mit unseren hausgemachten Wurst- und Fleischspezialitäten beliefern.
Die Schweizer Fleischbranche ist im Wandel – was hat sich im Vergleich zu vor 10 bis 20 Jahren verändert?
Es war und ist schon lange sehr schwierig, in der Fleischbranche genügend qualifiziertes Personal zu finden. Die Situation hat sich aber in jüngster Vergangenheit noch stärker negativ entwickelt. Es gibt zahlreiche Schliessungen bei den sogenannten Kleinbetrieben, welche entweder nicht mehr über die nötige Anzahl Mitarbeiter verfügen oder altershalber aufhören und keine Nachfolger finden. Es gibt aber auch Betriebe, welche ihr Filialnetz ausbauen und eine Wachstums-Strategie verfolgen, nur deren Zahl ist klein.
Gibt es den Unterschied zwischen «Dorfmetzger» und industrieller Verarbeitung noch?
Ja, den gibt es sicher noch, aber das heisst nicht, dass ein Dorfmetzger noch alles von Hand machen muss. Ein Betrieb, wie unserer, setzt ganz klar auch auf neue Technik und kann so den Arbeitsablauf kostengünstiger und speditiver erledigen. Ein Dorfmetzger setzt sich punkto Geschmacks, Flexibilität, Kundenbedürfnissen und Regionalität klar ab. Dementsprechend sind wir leider meistens im reinen Preisvergleich eher unterlegen.
Wie kann sich heute ein Unternehmen der Fleischbranche eigenständig positionieren?
Es setzt – wie in unserem Beispiel – ganz klar auf selbstgemachte Spitzenprodukte, hergestellt mit regionalem Rohstoff, bei welchem wir deren Bauern grösstenteils persönlich kennen und schätzen. Ein Betriebszweig kann aber auch das Catering sein, welches gerade auch für junge Mitarbeiter viel Abwechslung und direkten Kundenkontakt in den Alltag bringt.
Welche Zukunfts-Perspektiven bestehen für das klassische Metzgereigewerbe?
Das klassische Metzgereigewerbe wird es meiner Meinung nach immer geben. Ich denke, dass es immer seine Berechtigung hat: Fleisch wird immer gegessen. Es gibt sicher einen wachsenden Markt an «Nicht-Fleischessern». Wir müssen dem Kunden den Nutzen und die Vorteile des Fleischkonsums wieder stärken mitgeben. Nur weil es gerade sehr modern ist, auf Fleisch zu verzichten, ist es nicht gesagt, dass dies uns allen auch guttut.
Die Konsumentinnen und Konsumenten und unsere Branche muss weg vom Billigfleisch und das Fleisch wieder als gesunden, wertvollen, regional verfügbaren Rohstoff schätzen, welchen wir in Massen konsumieren. Bezüglich Regionalität bieten wir neu auch Wildfleisch und Wildtrockenspezialitäten aus eigener Jagd. Wortwörtlich, denn ich bin selber Pächter in einem Rheintaler Jagd-Revier. Zudem betreue
ich im Rheintal zwei Gehegehaltungs-Betriebe mit Wildtieren. Das Wildfleisch verwenden wir für Spezialitäten wie Mostbröckli und Pantli, die auf grosses Interesse stossen.
Wie reagieren Sie auf veränderte Ernährungsgewohnheiten wie Vegetarisch, Vegan, Insekten?
Über die bereits ausgeführten Überlegungen hinaus heisst es einfach: wachsam sein und für die Wünsche unserer Kunden offen sein.
Welche Strategien bestehen für den Berufsnachwuchs und die Berufsbildung?
Meines Wissens versucht der Fleischfachverband – wie andere Branchen auch – die Jugendlichen mit attraktiven Auftritten auf Social Media und der Vorstellung der Berufe mittels spannender Kurzfilme zu gewinnen. Unser Betrieb bietet allen interessierten Jugendlichen Schnuppertage an, an welchen sie die verschiedenen Berufe kennenlernen können. Die Nachfrage nach denselben nimmt aber leider stetig ab.
Bio- und weitere Labelprogramme: Wie stehen Sie dazu?
Labelprogramme können dienen, wenn sie zielgerichtet sind. Wir arbeiten ohne Label, und das bewusst. Das einzige Label, das wir bieten und unterstützen, ist das «Schweizer Fleisch», und das wird dafür aktiv gelebt. Wir möchten nicht einem Etikett nachrennen, sondern mit den regional verankerten Produzenten arbeiten, und da zählt für uns der direkte Kontakt mehr als ein Label.
Gibt es Zukunftsmodelle, die Transporteffizienz und Tierwohl verbinden, beispielsweise wieder lokaler ausrichten?
Lokale Schlachthäuser hat der Staat – gewollt oder nicht – so gut wie ausgemerzt. Es sind verschiedene Faktoren, welche sich negativ auswirken: Nachwuchsfragen, EU-Richtlinien, sehr hohe Betreiberanforderungen und Unterhaltskosten. Ich kann mir vorstellen, dass es technisch sicher möglich wäre, den Tötungsprozess vollständig zu automatisieren, ohne menschlichen Einfluss. Ob dies moralisch, ethisch und politisch vertretbar wäre, ist eine andere Frage.
Die Hof-Weideschlachtung wurde 2020 durch den Bundesrat wieder zugelassen. Wie stehen Sie dazu?
Die Hof-Weideschlachtung lehne ich klar ab. Hof-tötung hingegen kann sich sicher als Nische etablieren da gibt es auch gute Beispiele in der Ostschweiz. Bei der Hoftötungsmethode ist man aber auch wieder abhängig von einen kleinräumigen Schlachthaus-Angebot, will heissen, dass das Tier nach dem Schuss innerhalb der gesetzlich reglementierten Zeit in einem Schlachthaus fachgerecht geschlachtet und anschliessend gekühlt wird. Da sehe ich die grösste Herausforderung, denn nach meinem Wissen gehen im Moment eher kleine Schlachtbetriebe aus.
Weitere Informationen unter www.baerlimetzg.ch