Lebensmittel-Industrie: Geben Sie uns bitte einen kurzen Einblick zur Geschichte und Gegenwart Ihrer Brauerei. Mathias Oeschger: Die Brauerei Adler wurde 1828 in Schwanden gegründet und gehört zu den vier ältesten Brauereien der Schweiz. Sie entstand aus dem Gasthof Adler, gegründet von Major Tschudi, und war schon damals ein zentraler Bestandteil des Dorfes Schwanden. Viele Gasthöfe trugen damals Tiernamen und brauten Bier für den Eigenbedarf, bevor sie es verkauften und andere Gasthöfe belieferten. In Spitzenzeiten zählte das Glarnerland elf Brauereien, eine beeindruckende Zahl für einen Kanton mit heute rund 40 000 Einwohnern. Nach zwei Generationen in Familienbesitz der Tschudis übernahm meine Familie, die Kunderts,später Oeschgers, die Brauerei. Seit dieser Zeit werden die Gasthöfe, die zur Brauerei gehören, verpachtet statt selbst betrieben. Die Brauerei Adler hat sich kontinuierlich weiterentwickelt. Neben der Bierproduktion betreiben wir einen Getränkehandel, der heute ein wichtiger Bestandteil unseres Geschäfts ist.
Die heutige Bierlandschaft ist wieder vielfältig – wie positioniert sich die Adler in diesem Umfeld?
Die heutige Bierlandschaft ist so vielfältig wie lange nicht mehr. Das Interesse an regionalem Bier und Sortenvielfalt spielt Kleinbrauereien wie uns in die Karten. Wir brauen seit mehreren Jahren viele verschiedene Biere und hatten im letzten Jahr 14 verschiedene Sorten im Angebot, darunter Klassiker wie Lager, dunkles Spezialbier, Pilsner, Panaché und Kellerbier sowie moderne Bierspezialitäten wie Witbier, Red Ale, Bockbier, Imperial Stout und Maisbier. Die Kombination aus klassischer und moderner Braukunst kommt bei unseren Kunden gut an.
Historisch waren wir nie stark im Detailhandel vertreten. Unser Fokus liegt auf der Gastronomie, und viele unserer Gastronomen schätzen es, dass unser Bier ausserhalb des Glarnerlands nicht im Detailhandel erhältlich ist. Das macht ihr Angebot spannender, und sie können sich so von anderen Gastrobetrieben abheben. Daher verkaufen wir unsere Produkte überwiegend in Flaschen und Fässern.
Welche Ausbau-Perspektiven stehen derzeit bezüglich Angebot und Dienstleistungen im Fokus?
Aktuell planen wir keine Erweiterung unseres Sortiments. Wenn neue Sorten hinzukommen, müssen bestehende weichen. Im nächsten Jahr werden wir zwei neue Sorten einführen, dafür werden zwei andere verschwinden. Unser Fokus liegt stark darauf, mit unseren Gastropartnern ein saisonales Biersortiment zu bieten, damit sie ihren Gästen stets etwas Neues und zur Saison Passendes anbieten können.
Wie sieht Ihre Beschaffungsphilosophie aus, etwa bezüglich Regionalität und Herkunft Schweiz?
Unsere Philosophie ist: Dorf > Kanton > Region > Schweiz > Ausland.
Wir kaufen alles, was möglich ist, so nah wie möglich. Fast alle unsere gedruckten Verpackungen werden im Kanton hergestellt, und der Mais kommt aus dem Nachbarkanton. Bei den restlichen Rohstoffen sind wir, wie viele andere, auf das Ausland angewiesen.
Gibt es aktuelle technologische Entwicklungen, die für Ihre Herstellung interessant sind?
Technologische Entwicklungen sind ein ständiges Thema. Derzeit investieren wir vor allem in Energieeffizienz. Durch neue Dampferzeuger, Waschmaschinen, Kälte- und Dampfleitungen sowie eine neue Kältemaschine können wir erheblich Energie und Gas sparen. Das erhöht die Effizienz und reduziert die Umweltbelastung. Spannend ist auch, dass die neue Generation von Abfüllanlagen in unserer Grösse sowohl Dosen als auch Flaschen abfüllen kann. In Zukunft könnten Kleinbrauereien somit auch Dosen selbst abfüllen.
Welche berufliche Herkunft haben die bei Ihnen Beschäftigten?
In der Produktion arbeiten hauptsächlich Lebensmitteltechnologen mit Spezialisierung auf Bierherstellung, Mechaniker und Braumeister, die in Deutschland ausgebildet werden. Der Rest des Personals besteht aus Verkäufern, Fahrern, Logistikern und Buchhaltern.
Finden Sie genügend Fachkräfte?
Bilden Sie auch selbst Lernende aus?
Es wird immer schwieriger, passende Brauer zu finden. Wir bilden regelmässig einen Lehrling als Lebensmitteltechnologen mit Fachrichtung Bierherstellung aus. Als Kleinbrauerei decken wir alle Verfahrensschritte ab, die ein Brauer kennen muss. Bei uns ist der Alltag sehr abwechslungsreich, was ideale Bedingungen für einen Ausbildungsbetrieb schafft. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, genügend Fachkräfte für die Zukunft auszubilden.
Welche Herausforderungen sehen Sie generell für die Brauerei-Branche?
Eine grosse Herausforderung ist die Energieversorgung und die mögliche Mangellage im Frühjahr. Es könnte sein, dass der Strom im Februar und März nicht ausreicht. Eine Drosselung in dieser Zeit wäre eine grosse Gefahr für unseren Betrieb, der sich dann auf die Hochsaison vorbereitet. Steigende Kosten und die sinkende Kaufbereitschaft der Kunden werden besonders Kleinund Spezialbierbrauereien zu spüren bekommen. Der Markt wird sich vermutlich regulieren, und einige Brauereien werden ihr Geschäft aufgeben müssen.
Vielen Dank für das Gespräch!