Während sich die öffentliche Debatte um die Bauern und die Pflanzenschutzmittel dreht, geht die Verarbeitung genauso vergessen, wie die Tatsache, dass sich aktuell jeder Schweizer mehrmals täglich die Hände mit Bioziden desinfiziert und wir sehr froh sind, dass es diese gibt. Auch dies wäre gemäss dem Initiativtext in Zukunft für die in der Lebensmittelproduktion Beschäftigten verboten! Absurd…
Synthetische Biozide werden aber auch in Normalzeiten auf allen Stufen der Nahrungsmittelproduktion eingesetzt. Dieser Einsatz erfolgt in kontrollierter Umgebung und ist sicherlich weniger problematisch als der Einsatz in der freien Natur. Dennoch wird auch dieser von der Initiative pauschal und strikt verboten. Ohne Biozide als Reinigungs- und Desinfektionsmittel kann die heute vorgeschriebene Lebensmittelsicherheit nicht mehr gewährleistet werden. So würden etwa lebensmittelbedingte Erkrankungen zunehmen, es würden wieder mehr Nahrungsmittel verderben und die Haltbarkeit der Fertigprodukte würde massiv verkürzt. Food Waste lässt grüssen.
Einige Produktekategorien würden sogar ganz vom Markt verschwinden. So ist es etwa undenkbar, einen modernen Schlachtbetrieb ohne Desinfektionsmittel zu betreiben. Aber auch Anwendungen, an die man auf den ersten Anhieb nicht denkt, wären nicht mehr möglich. Unter den Begriff der synthetischen Pestizide/ Biozide fallen z. B. auch das Pökelsalz zur Fleischkonservierung, der Schwefel im Wein oder die Keimhemmungsmittel für die Lagerung von Kartoffeln und Zwiebeln. Strikt umgesetzt, bedeutet die Initiative somit, dass wir Kartoffeln und Zwiebeln nur noch zwischen August und März konsumieren werden, Wein (auch Bio!) nach zwei Jahren braun würde und gewisse Pökelwaren vom Markt verschwinden müssten.
Eine einzige Hefezelle etwa, welche bei der Abfüllung von Süssmost in eine PET Flasche gelangt, bringt diese nach drei bis vier Wochen zur Explosion. Obstsäfte und Erfrischungsgetränke, welche heute mittels kaltaspetischer Abfüllung in PET-Flaschen abgefüllt werden, müssten wieder auf heisse Abfüllung in Glasflaschen umgestellt werden. Mit den entsprechenden Kostenund vor allem auch Umweltfolgen.
In der Lebensmittelproduktion werden also für unzählige Anwendungen Biozide eingesetzt, welche unter Wahrung der heutigen Hygienestandards und Produktionsprozesse nicht wegzudenken sind. Unrealistisch ist, dass internationale Unternehmen ihre Produktion nur für die Schweiz komplett umstellen und im ganzen Verarbeitungsprozess auf Biozide verzichten. Aber auch Schweizer Hersteller, welche ein relevantes Exportgeschäft besitzen, dürften dieses faktisch kaum mehr aus der Schweiz heraus betreiben. Eine kaufkräftige Käuferschaft, welche zum bereits bestehenden Swissness-Preisbonus auch noch zusätzlich «Bio»-Standard bezahlen würde, ist im Ausland schlicht nicht vorhanden. Es ist daher stark anzunehmen, dass eine Annahme der Pestizidinitiative verschiedene Konzerne dazu zwingen würde, ihre Exporte nicht mehr aus der Schweiz heraus zu bedienen, sondern auf ausländische Werke auszuweichen, aus welchen sie die Nachfrage nach konventionellen Nahrungsmitteln wie Käse, Fleischwaren, aber auch Kaffee und Schokolade befriedigen könnten. Damit wäre nicht nur ein Verlust an Steuersubstrat verbunden, sondern insbesondere auch der Verlust der entsprechenden, ins Ausland verlagerten Arbeitsplätze.
Insgesamt führt eine strikte Umsetzung der Pestizidinitiative somit in der Lebensmittelverarbeitung zu weniger Auswahl für den Konsumenten, höheren Qualitäts- und Gesundheitsrisiken, deutlich höheren Preisen und teils sogar zu weniger Ökologie. Dies bei gleichzeitigem Verlust an Steuersubstrat und Arbeitsplätzen.
Hannover Messe
Transfoming Industry Togheter
Datum: 31. März-04. April 2025
Ort: Hannover (D)