Neben steigenden regulatorischen Anforderungen und sich verändernden Konsumtrends belasten insbesondere die hohen Preise für zentrale Rohstoffe wie Kakao, Milch, Zucker und Getreide die Wettbewerbsfähigkeit.
Der Kakaomarkt erlebt eine historische Preisrallye. Der Preis von rund 8 100 USD/Tonne ist heute mehr als dreimal so hoch wie im Januar 2023, der Spitzenwert lag bei rund 12000 USD/Tonne. Schlechte Ernten in Westafrika, Trockenheit, Krankheitsbefall und eine hohe globale Nachfrage treiben die Preise auf Rekordniveau. Kakaobäume sind empfindlich gegenüber Wetterveränderungen, und extreme Ereignisse beeinträchtigen Erntemengen und Qualität. Besonders betroffen sind Schweizer Schokoladenhersteller, die auf nachhaltig zertifizierte Rohstoffe setzen. Grosse Unternehmen konnten Preisschwankungen bislang durch langfristige Lieferverträge und Lagerhaltung abfedern, doch diese Möglichkeiten nehmen ab. Dementsprechend mussten Hersteller die Preise erhöhen und beobachten nun mit Sorge die Reaktion der Kundinnen und Kunden. Die Hoffnung bleibt, dass sie bereit sind, für hochwertige Schweizer Produkte tiefer in die Tasche zu greifen – zumal auch ausländische Konkurrenten von den hohen Kakaopreisen betroffen sind.
Ein weiterer Wettbewerbsnachteil für die Schweizer Lebensmittelindustrie sind die im internationalen Vergleich sehr hohen Preise für inländische Agrarrohstoffe wie Milch, Zucker und Getreide. Diese resultieren aus strengen Umweltvorgaben, hohen Futter- und Energiekosten sowie dem agrarpolitischen Grenzschutz. So ist der Mehlpreis in der Schweiz beispielsweise doppelt so hoch wie in der EU.
Mit der Nachfolgelösung Schoggigesetz konnte ein Weg gefunden werden, Rohstoffpreisnachteile für die exportierende Wirtschaft teilweise zu kompensieren. Beim Getreide wird die Differenz grösstenteils ausgeglichen, bei der Milch jedoch nur teilweise. Der Rohstoffausgleichsfonds Milch unterstützt exportierende Betriebe durch Verbilligungsbeiträge für exportierte Milchprodukte. Die Weiterführung und allenfalls sogar der Ausbau dieser Lösung ist für die exportierende Schokoladenindustrie und weitere Lebensmittelhersteller unverzichtbar, um konkurrenzfähig zu bleiben. Ebenso essenziell ist das Verfahren des aktiven Veredelungsverkehrs als zweites Standbein der Lösung. Erfreulicherweise hat das Parlament dessen Fortführung in der Wintersession bestätigt.
Beim Zucker erleiden die Süsswarenhersteller den vollen Nachteil hoher inländischer Rohstoffpreise, da die heimische Produktion durch Mindest-Importzölle geschützt wird. Dies treibt die Inlandpreise weiter in die Höhe, während die exportierende Wirtschaft keine Kompensation erhält. Steigende Energie- und Produktionskosten sowie globale Marktbewegungen verschärfen die Situation zusätzlich. Politische Diskussionen über eine mögliche Anpassung der Mindest-Importzölle sind im Gang. Es braucht dringend eine Lösung, denn Chocosuisse und Biscosuisse vereinen Unternehmen aller Grössen, die zusammen rund 40 Prozent des Schweizer Zuckers verarbeiten.
Die Schweizer Schokoladen- und Backwarenbranche hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass sie flexibel und innovativ auf Herausforderungen reagiert. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Rohstofflieferanten und der Politik. Ein stabiles wirtschaftliches Umfeld und der Zugang zu hochwertigen Rohstoffen zu wettbewerbsfähigen Preisen sind essenziell, damit Schweizer Schokolade sowie Back- und Zuckerwaren ihren einzigartigen Ruf bewahren und preislich wieder wettbewerbsfähiger werden.
▶ In dieser Rubrik äussern Vertreter aus der Lebensmittelbranche ihre Meinung zu aktuellen Themen.
Dr. Roger Wehrli, Direktor/Geschäftsführer von Chocosuisse und Biscosuisse