Sie klingen modern, aber irgendwie auch abgedroschen, weil zu viel darüber geredet und zu wenig danach gehandelt wird. Als Auditor für Lebensmittelsicherheits- und Qualitätsmanagementsysteme war ich dieser Diskrepanz oft ausgesetzt. Insbesondere mit dem Aufkommen der GFSI-anerkannten Standards hat nebst der Verbesserung der Lebensmittelsicherheit auch eine Technokratisierung der Managementsysteme in der Welt der Lebensmittel stattgefunden. Einerseits weil die Systeme extrinsisch motiviert umgebaut oder eingeführt wurden und deshalb alleine der Erfüllung einer Kundenanforderung dienen. Andererseits weil diese Standards auf die Supply Chain fokussieren und erfolgsrelevante Prozesse wie z. B. Marketing und Verkauf ausgrenzen. Managementsysteme, welche in erster Linie mit einem GFSI-anerkannten Standard konform sind, sind spezifikationsgetrieben und geben der unternehmerischen Kreativität wenig Spielraum. An dieser Feststellung ändert auch die Einführung von Anforderungen an die Lebensmittelsicherheitskultur wenig. Die Entwicklung der Anforderungen und die Umsetzung der Integritätsprogramme durch die Standardgeber sprechen nicht für deren notwendige Glaubwürdigkeit und Subtilität, weiche Faktoren zu adressieren – denn die drohenden Sanktionen haben einer Misstrauenskultur Vorschub geleistet. Die unternehmenskulturaffine Glaubwürdigkeit fehlt auch den Auditorinnen und Auditoren, solange für deren Qualifizierung einschlägige Organisations- und Führungserfahrung nahezu irrelevant sind.
Diese Ausgangslage erklärt zumindest teilweise kontraproduktives Handeln von Geschäftsleitungen. Dazu zählen z. B. Absentismus in den Audits und demonstratives Desinteresse. Oder unangebrachte Kommentare über Standardanforderungen, obschon man sich selbst zu deren Erfüllung verpflichtet hat. Oder das Empfinden von Abweichungen als Affront anstelle des Erkennens von Verbesserungspotenzial. Oder die Auslagerung der Verantwortung für die Sicherung und das Management der Qualität an externe Berater. Oder das Verursachen einer schlechten Fehlerkultur, indem die Suche nach Schuldigen im Vordergrund steht, statt die Weiterentwicklung des Systems. Interessant ist auch die Beobachtung, dass Zertifizierungsdienstleistungen wie Waren eingekauft werden, wobei aber abgesehen von der Norm nicht einmal Spezifikationen vorgegeben werden, denn lediglich der Preis entscheidet. Aber geht es tatsächlich darum, für möglichst wenig Geld ein Zertifikat ins Internet zu stellen? Für mich absolut unverständlich. Ich finde mich selbst immer wieder in der Rolle des Auditierten und erlebe, dass das Vertrauen in die Zertifizierer und die Fach- und Sozialkompetenz der Auditoren für die Wirksamkeit eines Managementsystems unabdingbar sind. Eine ehrliche Analyse wird in jedem Fall die allenfalls erzielte Reduktion der Zertifizierungskosten relativieren; denn es kommt auf die Wahl der geeigneten Zertifizierungsstelle an und nicht auf den Preis.
Demonstrieren Sie Leadership, indem Sie im Managementsystem Ihres Unternehmens eine aktive Rolle einnehmen. Fördern Sie die Bildung eines Systems, welches das gesamte Unternehmen abbildet, d. h. alle Prozesse, Aktivitäten und involvierten Personen integriert. Ich empfehle Ihnen, falls nicht bereits geschehen, nach der altbewährten Norm ISO 9001 ein integriertes Managementsystem zu formen, welches modulare Ergänzungen für die Erfüllung weiterer Normen zulässt. Sie treten dadurch den Beweis an, dass das Managementsystem Ihres Unternehmens einem Selbstzweck dient, nicht nur der Erfüllung eines Kundenwunsches. Sie schaffen ein System, das nichts und niemanden ausschliesst und für eine positive Unternehmenskultur förderlich ist. Es lohnt sich, da bin ich sicher – und die Mitarbeiter und nicht zuletzt auch die Auditorinnen werden es Ihnen danken.