EU sucht Kontrolle über Spekulation mit Agrarrohstoffen

Die Preise für Nahrungsmittel sind in den letzten Jahren mit grossen Schwankungen stark gestiegen. Die Spekulationen mit Agrarrohstoffen gelten als Preistreiber unter mehreren.

Dr. Dietmar Stutzer

In den Jahren 2007 und 2008 kam es zu einem Anstieg der Preise von 71 Prozent, bei einigen Lebensmitteln sogar von 100 Prozent. Nach einem starken Abfall erreichten sie 2011 wieder neue Höchstwerte. Heute sind sie ausbalancierter, doch bleiben sie noch immer hoch. Eine Standarderklärung lautet: Die Spekulation mit Agrarrohstoffen ist eine Hauptursache.
Zunächst waren es vor allem Entwicklungs und globalisierungskritische Organisationen, die sich mit dem Thema Nahrungsmittelspekulation beschäftigten. Seit 2008 ist das Thema aber zunehmend auf die grosse politische Bühne gerückt. EU-Mitgliedsländer und das Europaparlament einigten sich Anfang 2014 auf eine Neufassung der EU-Finanzmarktrichtlinien, die den Rohstoffspekulationen stärkere Grenzen setzen sollen. Von einer Wirkung auf den Agrarrohstoffmärkten war bisher allerdings noch nicht die Rede, vor allem nicht gegenüber einer Eigenheit der Märkte für Agrarrohstoffe, den Leerverkäufen.

Überstarke Preisreaktionen
Vereinfacht dargestellt werden dabei Aktien oder Waren verkauft, die man (noch) gar nicht besitzt. Der Verkäufer leiht sie sich von Dritten und verkauft sie. Um sie dem Verleiher zurückzugeben, kauft er sie zu einem späteren Zeitpunkt – also bei gefallenem Preis – vom Markt zurück und kann die Differenz behalten. Bei Produkten wie den Agrarrohstoffen, deren Angebot ungleichmässig erfolgt, können solche hochspekulativen Praktiken wie die Leerverkäufe schon in kleinen Mengen überstarke Preisreaktionen hervorrufen. Deshalb ist ihr schlechter Ruf auch bei der EU-Kommission nicht völlig unbegründet.
Schon lange nutzen Händler und Produzenten den Terminmarkt, um sich gegen steigende beziehungsweise fallende Preise abzusichern. Das funktioniert ungefähr so: Ein Weizenproduzent verpflichtet sich, eine bestimmte Menge Weizen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu liefern. Dafür wird ein Garantiepreis festgelegt, zu dem der Käufer den Weizen abnehmen wird. Das sorgt bei beiden Parteien für Planungssicherheit, da der Weizenproduzent nicht wissen kann, wie genau die Ernte verlaufen wird.
Ein weiterer Mechanismus der Spekulation sind Indexfonds. Das sind Pakete, die sich an Rohstoff-Indizes orientieren, also zum Beispiel gewichtete Anteile der Preise von Zucker, Weizen und Vieh enthalten. Sie bilden die am Markt gehandelten Mengen in einem Anlageportfolio nach.

Transparenz der Märkte
Solche und andere komplexe Mechanismen des Finanzmarktes wirken, so die Kritiker, als zusätzliche Preistreiber. Eine solche Entwicklung bedeutet schliesslich, die Rohstoffmärkte und damit die Lebensmittelversorgung den riskanten Turbulenzen des Finanzmarktes auszusetzen. Nicht weniger wichtig ist der EU ein Gesamtkonzept für Derivate und eine Überprüfung der Richtlinie über Märkte für Finanzmarktinstrumente zur Verbesserung der Aufsicht und der allgemeinen Transparenz der Märkte für Agrarrohstoffderivate. Angemessene Transparenz- und Berichtspflichten sollten auf alle Derivate auf Agrarrohstoffe ausgedehnt werden, einschliesslich der ausserbörslich gehandelten. Zusätzlich zu diesen Pflichten sollte für bestimmte Kategorien von Händlern EU-weit die Pflicht zur Vorlage von Positionsberichten eingeführt werden. Dies würde es den Regulierungsbehörden ermöglichen, sich einen Überblick über die Positionen der verschiedenen Kategorien von Händlern zu verschaffen. Die Möglichkeit für die Regulierungsbehörden, Positionsobergrenzen festzu legen, um unangemessen starken Preisbewegungen oder Konzentrationen spe kulativer Positionen entgegenzuwirken, soll im Hinblick auf die Gewährleistung eines effizienten Funktionierens dieser Märkte auf ihre Zweckmässigkeit übergeprüft werden.


Konsequente Durchsetzung
Die konsequente Durchsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und die bereits laufende Überprüfung der Etikettierungsrichtlinie für Lebensmittel können ebenso zu einer besseren Integration der Lebensmittelversorgungskette beitragen. Schliesslich hat die Kommission bereits eine Reihe von Entscheidungen erlassen, um der Einführung nationaler und regionaler Systeme im Bereich der Herkunftsangaben Einhalt zu gebieten. Darüber hinaus hat sie vorgeschlagen, einen neuen Rahmen für geografische Ursprungsangaben, Vermarktungsnormen und Zertifizierungsregelungen innerhalb einer Qualitätspolitik für Agrarerzeugnisse zu entwickeln.
Die Kommission will auch ausgewählte Umweltstandards und Systeme im Bereich der Herkunftsangaben überprüfen, die den grenzüberschreitenden Handel behindern können. Ausserdem will sie gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der Wirtschaft auf eine stärkere Harmonisierung der Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Lebensmittel hinarbeiten. Ein Überwachungsinstrument, wie es sich die EU-Kommission vorstellt – seinen konkreten Aufbau hat sie noch nicht bekannt gegeben – soll Informationen über Preisniveau und Preisentwicklungen entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette liefern und die Preisentwicklung für einzelne Produkte und einzelne Mitgliedstaaten aufzeigen, grosse und vor allem plötzlich auftretende Spekulationen eingeschlossen. Damit soll die Entwicklung der Lebensmittelpreise in jedem einzelnen Land mindestens europaweit abgebildet werden, um zu grösserem Druck auf die Akteure in Richtung einer beschleunigten Preisweitergabe beizutragen. Das Instrument soll sich so weiter entwickeln, dass die Zusammenhänge zwischen Verbraucherpreisen, Erzeugerpreisen und Rohstoffpreisen besser dargestellt und ein breiteres Spektrum von Erzeugnissen abgedeckt werden kann.

Es gibt einen Zielkonflikt
Der Mangel an Markttransparenz, die Ungleichgewichte bei den Verhandlungspositionen und wettbewerbswidrige Praktiken haben zu Marktverzerrungen geführt, von denen die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelkette als Ganzes beeinträchtigt wird. Darüber hinaus wirken sich Unbeweglichkeiten bei Preisbildungen negativ auf die Anpassungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit sämtlicher Branchen in der Lebensmittelskette aus. Marc Chesney, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Zürich, hat es auf den Punkt gebracht: «Es gibt einen Zielkonflikt zwischen Liquidität und Stabilität der Lebensmittelmärkte.» Man müsse deshalb die Frage stellen, was wichtiger sei: «Mehr Liquidität durch Spekulation zu erzeugen oder lieber erschwinglichere Lebensmittel für die Armen, besonders in der Dritten Welt, bereitzustellen?»
Nach zweieinhalb Jahren des Verhandelns haben sich die EU und die Mitgliedsstaaten im Januar 2014 auf Erneuerungen der Finanzmarktregeln verständigt, die bereits 2011 vorgeschlagen wurden. Der Handel auf den Märkten soll damit transparenter und sicherer werden. Mit einer Obergrenze für den Nahrungsmittel- und Rohstoffhandel auf den Warenterminbörsen sollen Spekulanten abgeschreckt und starke Schwankungen vermieden werden. Ob die Beschlüsse jedoch wirklich eine Besserung herbeiführen werden, ist umstritten. Wie sich zeigt, ist das Thema trotz neuer Regulierungen seitens der EU noch alles andere als beendet.



Lebensmittel-Industrie Ausgabe 11/12 Dezember 2015

EVENTS

IFAT

Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft

Datum: 13.-17. Mai 2024

Ort: München (D)

VITAFOODS EUROPE

Messe für Nutraceuticals, Functional Food & Drinks

Datum: 14.-16. Mai 2024

Ort: Genf (CH)

drupa

Weltweit führende Fachmesse für Drucktechnologien

Datum: 28. Mai-07.Juni 2024

Ort: Düsseldorf (D)

ArbeitsSicherheit Schweiz

Fachmesse für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz

Datum: 05.-06. Juni 2024

Ort: Zürich (CH)

Achema

Internationale Leitmesse der Prozessindustrie

Datum: 10.-14. Juni 2024

Ort: Frankfurt am Main (D)

SENSOR + TEST

Internationale Fachmesse für Sensorik, Mess- und Prüftechnik

Datum: 11.-13. Juni 2024

Ort: Nürnberg (D)

Swiss Green Economy Symposium

Das Swiss Green Economy Symposium ist die umfassendste Konferenz zu Wirtschaft und Nachhaltigkeit mit zunehmend internationaler Ausstrahlung. Seit 2013.

Datum: 27.-29. August 2024

Ort: Winterthur (CH)

all about automation

Fachmesse für Industrieautomation

Datum: 28.-29. August 2024

Ort: Zürich (CH)

maintenance Schweiz

Schweizer Fachmesse für industrielle Instandhaltung und Facility Management

Datum: 28.-29. August 2024

Ort: Zürich (CH)

Ilmac Lausanne

Networking. Forum. Aussteller

Datum: 18.-19. September 2024

Ort: Lausanne (CH)

FachPack

Europäische Fachmesse für Verpackung, Technik, Veredelung und Logistik

Datum: 24.-26. September 2024

Ort: Nürnberg (D)

W3+ Fair Jena

Europas führende Plattform für Forschung und Innovationskraft

Datum: 25.-26. September 2024

Ort: Jena (D)

SÜFFA

Die Fachmesse für die Fleischbranche

Datum: 28. - 30. September 2024

Ort: Stuttgart (D)

IN.STAND

Die Messe für Instandhaltung und Services

Datum: 08.-09. Oktober 2024

Ort: Stuttgart (D)

Chillventa

Weltleitmesse der Kältetechnik

Datum: 08.-10. Oktober 2024

Ort: Nürnberg (D)

SIAL

Fachmesse für Nahrungsmittel-Innovationen

Datum: 19.-23 Oktober 2024

Ort: Paris (F)

Südback

Fachmesse für das Bäcker- und Konditorenhandwerk

Datum: 26.-29. Oktober 2024

Ort: Stuttgart (D)

ALL4PACK EMBALLAGE

The global marketplace for Packaging Processing Printing Handling

Datum: 04.-07. November 2024

Ort: Paris (F)

Brennpunkt Nahrung

Fachkonferenz über Trends, Märkte und Management

Datum: 5. November 2024

Ort: Luzern (CH)

5. Future Food Symposium

 «Made in Switzerland - Gute Partnerschaften für mehr Ernährungssouveränität»

Datum: 8. Februar 2024

Ort: Online-Event (CH)

electronica

Weltleitmesse und Konferenz der Elektronik

Datum: 12.-15. November 2024

Ort: München (D)

Fi Europe

Internationale Fachmesse für Lebensmittelzusatzstoffe

Datum: 19.-21. November 2024

Ort: Frankfurt (D)

BrauBeviale

Europäische Fachmesse für die Getränkewirtschaft

Datum: 26.-28. November 2024

Ort: Nürnberg (D)

glug.swiss

Der neue Treffpunkt für Bier- und Getränkeproduzierende | vom Profi bis zum Selbstvermarkter

Datum: 06.-07. Februar 2025

Ort: Aarau (CH)

BioFach

Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel

Datum: 11.-14. Februar 2025

Ort: Nürnberg (D)

CCE International

Europas wichtigster Branchenevent für die Wellpappen- und Faltschachtelindustrie.

Datum: 11.-13. März 2025

Ort: München (D)

IFFA

Internationale Leitmesse – Technology for Meat and Alternative Proteins

Datum: 03.-08. Mai 2025

Ort: Frankfurt (D)

TUTTOFOOD

Internationale B2B-Messe für Food & Beverage

Datum: 05.-08. Mai 2025

Ort: Mailand (I)

iba

Die führende Weltmesse für Bäckerei, Konditorei und Snacks

Datum: 18.-22. Mai 2025

Ort: München (D)

LABVOLUTION

Europäische Fachmesse für innovative Laborausstattung und die Optimierung von Labor-Workflows

Datum: 20.-22. Mai 2025

Ort: Hannover (D)

Automatica

Die Leitmesse für intelligente Automation und Robotik

Datum: 24.-27. Juni 2025

Ort: München (D)

SINDEX

Schweizer Messe für industrielle Automatisierung

Datum: 02.-04. September 2025

Ort: Bern (CH)

Drinktec Deutschland

Auf der Weltleitmesse der Getränke- und Liquid-Food-Industrie

Datum: 15.-19. September 2025

Ort: München (D)

Oils + fats

Leitmesse der Öl- und Fettindustrie in Europa.

Datum: 15.-19. September 2025

Ort: München (D)

Ilmac

Fachmesse für Prozess- und Labortechnologie

Datum: 16.-18. September 2025

Ort: Basel (CH)

AM Expo

Fachmesse und Symposium: Inspiration, Weiterbildung und Netzwerk

Datum: 16.-17. September 2025

Ort: Luzern (CH)

CMS Berlin

Internationale Leitmesse für Reinigung und Hygiene

Datum: 23.-26. September 2025

Ort: Berlin (D)

POWTECH

Pharma.Manufacturing.Excellence

Datum: 23. - 25. September 2025

Ort: Nürnberg (D)

Anuga

Weltweite Ernährungsmesse für Handel und Gastronomie/Ausser-Haus-Markt

Datum: 04.-08. Oktober 2025

Ort: Köln (D)

A + A

Messe und Kongress für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit

Datum: 04.-07. November 2025

Ort: Düsseldorf (D)

igeho

Internationale Branchenplattform für Hotellerie, Gastronomie, Take-away und Care

Datum: 15.-19. November 2025

Ort: Basel (CH)

AQUA Suisse

Die Schweizer Fachmesse für kommunales und industrielles Wassermanagement.

Datum: 26.-27. November 2025

Ort: Zürich (CH)

Pumps & Valves

Die Fachmesse für industrielle Pumpen, Armaturen & Prozesse

Datum: 26. - 27. November 2025

Ort: Zürich (CH)

EuroShop

Fachmesse für den Investitionsbedarf des Handels

Datum: 22.-26. Februar 2026

Ort: Düsseldorf (D)

interpack

Führende Messe für Prozesse und Verpackung

Datum: 07.-13. Mai 2026

Ort: Düsseldorf (D)

Bezugsquellenverzeichnis