«Unsere spanischen Schinkenwerke zeigen, welchen Nutzen digitale Lösungen bringen. Bei einem Umschlag von 15 Mio. Kilo pro Jahr brauchen Sie jederzeit aktuelle Bestandsinformationen, eine optimierte Produktion, das Lager muss transparent verwaltet werden, die Rückverfolgbarkeit muss sichergestellt sein – dafür sind digitale Technologien ein Muss», wie Sven Friedli die Vorzüge einer digitalisierten Wertschöpfungskett e beschreibt. Friedli ist seit Oktober 2020 Chief Information Officer (CIO) des Schweizer Lebensmittelunternehmens Bell Food Group. «Wir wollen durch die Digitalisierung unsere Business-Bedürfnisse besser erfüllen und gruppenweit rentabel arbeiten», fasst Friedli die Zielsetzungen der laufenden IT-Optimierungen zusammen. Schaut man sich die Technologien hinter dieser Strategie an, triff t man auf viele gute Bekannte: ERP, MES, Supply-Chain-Lösungen, Datenterminals im internen Warenfl uss und Robotik sorgen für die angestrebte Verzahnung von Business und IT. Soft waremodule wie Produktionsplanung oder Zerlegekalkulation werden dazu genutzt, die Transparenz zu steigern und Effi zienzgewinne an den einzelnen Standorten zu erreichen.
IT-Partner entscheidend für digitale Transformation
Im ERP-Bereich arbeitet die Bell Food Group in 19 Werken erfolgreich mit dem Branchenspezialisten CSB-System zusammen. «Gerade die ERP-Projekte bei unseren spanischen Betrieben ragen unter unseren Digitalisierungsprojekten aufgrund der Umsetzungsqualität hervor. Einfach, weil die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten hervorragend geklappt hat, alle dieselbe Sprache gesprochen haben und jedem die gemeinsamen Ziele klar waren. Das ist alles andere als selbstverständlich.»
Was Friedli damit meint, ist vielen Entscheidern in der Lebensmitt elbranche nur zu gut aus eigener Erfahrung bekannt: Der Umbau von über Jahre gewachsenen Wertschöpfungsprozessen sowie komplexen IT- und OT-Strukturen ist nicht auf Knopfdruck erreichbar. Die Implementierung einer Soft ware für Human Relations oder Rechnungswesen ist die eine Sache. Eine ganz andere ist es, die Fabrikabläufe zu digitalisieren und das Shopfl oormanagement zu optimieren. Hierzu braucht es ein tief verwurzeltes Verständnis für den Bedarf und die Herausforderungen der Lebensmitt elbetriebe. Nur wenn ERPLieferant und die eigenen Mitarbeiter direkt am Ort des Geschehens auf Augenhöhe zusammenarbeiten, lassen sich die Prozesse optimal gestalten. Denn gute Tools sind nur ein wichtiger Pfeiler für das Gelingen von Transformationsprozessen. Ein weiterer mindestens genauso wichtiger Pfeiler sind die Menschen.
Spanische Schinkenwerke – neues Effizienz-Level
Tatsächlich konnten die Werke in den Schinkenregionen Extremadura und Kastilien-La Mancha in den vergangenen Monaten auf ein ganz neues Effi zienzniveau gehoben werden. Überflüssige Arbeitsschritt e und unvollständige Informationen waren bis vor Kurzem noch erhebliche Kostentreiber. Eines der wichtigsten Anliegen für die Bell Food Group war der Umstieg von Papier hin zu einem digitalen Informationsfluss, beispielsweise bei der Bearbeitung von Rezepturen, bei Bestellungen oder der Rückverfolgung. Mit einer Fläche von 65 000 Quadratmetern, 120 Vollzeitmitarbeitern und einer Produktionskapazität von 5000 Tonnen Rohschinken, einschliesslich der begehrten Sorte JamÓn Ibérico, ist die Fabrik von Bell Spanien südwestlich von Madrid eine der wichtigsten Produktionsstätt en für den Rohschinkenumsatz des Unternehmens in Europa. «Es ist ein sehr leckeres und teures Produkt, das in grossem Massstab produziert wird», sagt Friedli. «Wir sprechen von bis zu einer Million Schinken, die in unseren Lagerhallen in Fuensalida hängen, während sie trocknen und reifen.» Es sind verschiedene Schweinerassen, die zu verschiedenen Schinkensorten verarbeitet werden, die dann je nach Qualität und beabsichtigter Zertifi zierung unterschiedlich lange gepökelt und aufgehängt werden.
«In der Vergangenheit hatt e der Betrieb nicht wirklich einen genauen, umfassenden Überblick über den Produktionsprozess», erklärt Friedli. «Wenn zum Beispiel eine Inventur gemacht wurde, dauerte es Wochen, um alle Schinken zu zählen. Jetzt haben wir eine durchgängige Supply-Chain-Lösung eingeführt, die den gesamten Prozess verfolgt, vom Einkauf der Schweine bis zum Verkauf des Schinkens. Alle Informationen und Daten befinden sich jetzt in einem einzigen System über den gesamten Prozess hinweg, sodass die Inventur genauso mit einem Mausklick erledigt ist wie die Überprüfung der Einnahmen.»
«Die schnelle Verfügbarkeit von Informationen im ERP ermöglicht schnelleres Handeln», meint Peter Ett rich. Er ist verantwortlich für die CSB-Anwendungen in 19 Bell-Werken in ganz Europa und war zugleich auch Gesamtprojektleiter des Projekts in Spanien. Auch bei der Etikettierung haben sich die Fortschritt e durch die Reduzierung von Fehlern schnell eingestellt, und mit der Anbindung einer Schinkenklassifi zierungsanlage wurde die Vernetzung zwischen Soft ware und Hardware vorangetrieben. Darüber hinaus gelang mithilfe des ERP eine wertschöpfende Optimierung der Kommissionierung.
Gemeinsam realistische Use Cases umsetzen
Für die Bell Food Group ist die Digitalisierung nichts Neues, viele Betriebe der Gruppe digitalisieren sich seit zwei Jahrzehnten und länger. Büroabläufe, Chargierung, Kommissionierung, Lager und Maschinen sind mindestens teildigitalisiert worden.
Jetzt gilt es, die einzelnen digitalen Inseln zu einem grossen Ganzen zu vernetzen. Vor allem müssen die Zukäufe der vergangenen Jahre auch IT-technisch abgebildet werden, um einen globalen Datenüberblick zu ermöglichen.
«Uns geht es um Operational Excellence», sagt Friedli mit Blick auf die nächsten Projekte, die man mit dem CSBTeam an den verschiedenen europäischen Standorten in Angriff nehmen möchte. Ein Beispiel für die nächste Produktivitätsstufe ist ein Manufacturing Execution System für die Zerlegung in einem Schweizer Werk – ebenfalls von CSB. Konzernweit sollen datengetriebene Entscheidungen noch mehr zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor werden. Mit der gerade pilotierten Betriebskosten- und Deckungsbeitragsrechnung zum Beispiel soll eine Brücke zwischen Shop Floor und Top Floor gebaut werden.